0950 - Visionen des Untergangs
hing Merlins Stern . Er hatte das Amulett gestern hier vergessen.
Zamorra lächelte, nahm es und legte es neben sich auf den Tisch. Gleich darauf tauchten Zahlenkolonnen auf dem Bildschirm auf. Leise vor sich hin pfeifend scrollte er nach unten.
»Medoc, Medoc, wo ist er denn? Ah, da haben wir ih…«
Eine dämonische Fratze starrte Zamorra an. Sie füllte den ganzen Bildschirm aus. Erschrocken zuckte der Meister des Übersinnlichen zurück. Alles ging blitzschnell und gab ihm keine Chance, nach Merlins Stern zu greifen. Die Fratze, die entfernt einem menschlichen Frauengesicht glich und dicht mit eitrigen Pickeln und Pusteln übersät war, verzog sich in einer schier unglaublichen Furcht. Der Professor spürte, dass diese Furcht sich auf ihn übertrug! Tod und Vernichtung fluteten durch seinen Geist und ließen ihn gequält aufschreien. Die Fratze blähte sich auf und zerplatzte in viele Tausend blutige Fetzen. Zamorra sah schwarze Himmel, die in sich zusammen stürzten und die ebenfalls schwarzen Berge darunter begruben. Gigantische orangerote Lavaströme schossen aus Bodenspalten hervor und rissen alles mit, was sich ihnen in den Weg stellte. Drei riesige geflügelte Dämonen, die aus der Sippe der CORR stammen konnten, versuchten noch wegzufliegen, wurden aber von der Lava förmlich überrollt, hineingewirbelt und schließlich verschluckt. Eine plötzlich aufsteigende Fontäne schoss genau auf Zamorra zu.
Er schrie erneut, versuchte die Arme zur Abwehr hoch zu reißen - und starrte auf schwarze Zahlenkolonnen.
Der Professor atmete tief durch. Es dauerte einige Sekunden, bis sich sein rasendes Herz beruhigte. Erst dann konnte er wieder klar denken.
Was zum Teufel war das? Eine Vision vom Untergang der Hölle? Ausgesehen hat's jedenfalls so. Und wenn ich's nicht besser wüsste, würde ich es sogar glauben. Aber die Schwefelklüfte sind bekanntlich ein ziemlich instabiles Gebilde, in dem immer wieder Altes den Bach hinunter geht oder sich umwandelt und Neues entsteht. Wahrscheinlich habe ich gerade einen solchen Vorgang gesehen. Und ein paar Dämönchen hat's gleich auch noch mit zerbröselt. Geschieht ihnen recht. Mit etwas Schwund muss immer gerechnet werden, wie Assi so schön sagt. Was sollte das jetzt also, Blechscheibe?
Zamorra war völlig klar, dass diese Bilder nicht im Computer entstanden waren, sondern in Merlins Stern . Normalerweise projizierte das Amulett aber nur dann Bilder in seinen Geist, wenn er sich per Trance darin vertieft hatte. Also hatte ihm Merlins Stern die Bilder wohl nicht gezielt geschickt. Oder doch?
Zamorra hob das Amulett an der Kette hoch und betrachtete es nachdenklich. Es war wieder völlig inaktiv. Mit einem Schaltwort versetzte er sich in Trance und versank darin. Doch außer einem schwachen, langsam verwehenden Nachhall der Bilder fand er nichts mehr.
»Kein Problem. Jeder von uns flippt mal kurz aus«, sagte er schließlich und grinste das Amulett an. Dann wirbelte er es so lange um den Finger, bis die Kette aufgerollt war. »Manchmal würde ich aber doch zu gerne wissen, was wirklich den ganzen Tag in deinem Blechkopf vorgeht. Hast du solche Anwandlungen öfters? Die zentrale Frage dabei ist: Steckt überhaupt noch so eine Art Bewusstsein in dir? Oder bist du zum reinen magischen Instrument verkommen? Ist also meine Ansprache an dich völlig für die Katz?«
Da sich die seltsame Vision nicht wiederholte, hatte Zamorra sie bald wieder vergessen. Etwa zwei Stunden später schlug plötzlich das »Visofon« an. Auf der Bildsprechanlage, die mit über 20 Terminals das gesamte Château erschloss, erschien Butler Williams' steifes Gesicht.
»Monsieur le professeur, ich hoffe, ich störe Sie gerade nicht.«
»Nein. Was gibt's?«
»Ich habe eine Dame am Telefon, die Sie dringend zu sprechen wünscht.«
»Aha. Und wie heißt sie?«
»Eine Madame Celine Henry, Monsieur.«
»Klingt gut, kenne ich aber nicht.« Zamorra lächelte. »Was will Madame Celine denn so dringend mit mir besprechen?«
»Den Untergang der Hölle, Monsieur.«
Zamorra fiel die Kinnlade herunter.
***
Caermardhin, Wales
Die Luft unterhalb der Mardhin-Grotte flimmerte kurz. Aus dem Flimmern schälte sich eines der hässlichsten Wesen, das die Hölle zu bieten hatte - und gleichzeitig eines der mächtigsten. Dabei war Asael, Stygias Balg, erst vor gut einem Jahr geboren worden, hatte aber umgehend seine überragenden magischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt.
Der Zwerg mit dem verwachsenen
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