0950 - Visionen des Untergangs
Spioniere also all meine Feinde aus und berichte mir, was sie planen. Mit deinen Fähigkeiten wirst du überleben können.«
Laurent Bonnarts Seele weinte vor Glück über diese unverhoffte Möglichkeit, der ewigen Verdammnis entgehen zu können. Er zögerte nicht, den Blutpakt mit Stygia zu schließen.
»Ab heute bist du nicht mehr Laurent Bonnart, sondern der Irrwisch Mehandor«, besiegelte die Teufelin den Pakt, während Bonnart/Mehandor seine neue Körperlichkeit als leuchtendes Flirren ausprobierte. »Mehandor war einst einer der erfolgreichsten Spione Lucifuge Rofocales, wie die Legenden berichten. So erfolgreich sollst du auch für mich sein. Schleiche dich also als Erstes in Astaroths Legionen ein und schaue, was dort vorgeht.«
Mehandors Gedanken fanden wieder in die Wirklichkeit zurück. Ja, so war es damals gewesen, 1965. Oder doch schon später? Die Zeit in der Hölle verging anders als auf der Erde, mal schneller, mal langsamer, mal gar nicht, sie war hier genauso wenig berechenbar wie die Schwefelklüfte selbst, die sich ständig veränderten. Ihm kam es auf jeden Fall so vor, als sei er schon viele Tausend Jahre in Stygias Diensten hier in der Hölle.
Aber was hieß schon in Stygias Diensten? Nur ganz am Anfang hatte die heutige Ministerpräsidentin noch auf ihn gebaut und war mit seinen Tipps tatsächlich entscheidend vorwärtsgekommen. Im Laufe der Zeit hatte sie ihn dann aber einfach vergessen, denn Irrwische waren keine Wesen, an die man sich dauerhaft erinnerte, dazu waren sie tatsächlich zu unwichtig. Sogar neulich, als er ihr geholfen hatte, Svantevit in der Schwarzen Gruft festzusetzen, hatte sie sich nicht mehr an ihn erinnert.
Stygia standen zwischenzeitlich andere Mittel zur Verfügung, um sich in der Hölle durchzusetzen. Und Mehandor unternahm von sich aus keinerlei Anstrengung, um auf sich aufmerksam zu machen, denn trotz seiner Fähigkeiten war das Spionieren eine gefährliche Angelegenheit. So gehörte er offiziell bis heute zu den Legionen Astaroths und genoss die Freiheit, die alle Irrwische in der Hölle genossen; vor allem auch deshalb, weil ihm seine Fähigkeiten eine tausendmal höhere Überlebenschance sicherten. Denn die Überlebenschance eines ganz normalen Irrwischs war verschwindend gering.
Wieder schweiften die Gedanken des Irrwischs in die Vergangenheit, jetzt, da sich die Legionen der Finsternis gegenüberstanden, bereit, sich auf das kleinste Handzeichen hin zu überrennen.
Irgendwann erreichte Mehandor/Laurent Bonnart aus heiterer Hölle der Ruf einer Jaqueline Hardy.
Seine Tochter, wie er schon bald erkannte!
Françoises Kind, das er niemals kennengelernt hatte!
Jaqueline besaß die gleichen medialen Fähigkeiten wie er selbst. Und Mehandor war seltsam berührt, so plötzlich von ihr zu hören. Längst tat es ihm leid, was damals passiert war und er hatte sich oft gewünscht zu erfahren, was aus Françoise, dem Kind, aber auch Lorik Cana und Professor Darien geworden war. Nun erfuhr er es. Darien war ebenfalls längst in der Hölle, vom Dämonenjäger Professor Zamorra getötet. Ja, er hörte immer wieder von seinem alten Kumpel, der mit einer mächtigen Waffe Angst und Schrecken in den Schwefelklüften verbreitete.
Lorik war gestorben wie er selbst und als verkohlte Leiche gefunden worden - ein Indiz dafür, dass er ebenfalls von Stygia geholt worden war. Geschah ihm recht. Denn zuvor hatte er sich noch an Françoise herangemacht und ihr viel Geld geboten, wenn sie mit ihrer Tochter Jaqueline der neuen Religion Dariens beitrete. Françoise hatte herausgefunden, dass es die Satansanbeter Dariens auf Jaqueline abgesehen hatten, von der sie vermuteten, dass sie wie ihr Vater besondere mediale Fähigkeiten besitze. Deswegen hatten Darien und Lorik schon ihn, Laurent, unbedingt bei ihrem Satansklub dabei haben wollen. Ihn hatten sie nicht bekommen und Jaqueline auch nicht, denn mit Loriks Tod hatten die Belästigungen und Drohungen, denen Françoise immer stärker ausgesetzt war, schlagartig aufgehört.
Jaqueline wusste das alles aus Gesprächen mit ihrer Mutter. Sie hatte deswegen ihrer eigenen Tochter Celine die Großeltern immer vorenthalten, weil sie nicht wollte, dass sich Celine mit den Abgründen in ihrer Familie beschäftigte - also mit ihrem Vater Laurent Bonnart. Mehandor hieß das durchaus gut. Und voller Freude half er seiner Tochter Jaqueline, archäologische Plätze und Dinge zu finden, die sie berühmt machten. Bei den Teuflischen Archivaren fand
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