0952 - Dr. Sensenmann
allein zu sein. Etwas hatte sich eingeschlichen, etwas lauerte hier zwischen den Wänden und den zahlreichen Ausstellungsstücken.
Margot Fillmore stand vor mir und machte jetzt den Eindruck eines kleinen, unwissenden Mädchens. »Bitte, ich hätte wirklich gern eine Antwort darauf.«
»Ja, schon, es ist nur schwierig.«
»Damit muß ich fertig werden.«
»Okay, ich - oder sagen wir so. Es hängt mit der Vergangenheit zusammen, weshalb ich dieses Haus hier aufgesucht habe.«
»Also mit dem Vorbesitzer?«
»Genau.«
»Alles klar. Und was hat er damit zu tun?«
Ich wiegte den Kopf. »Er ist tot, das wissen Sie, das weiß ich, trotzdem gibt es Hinweise darauf, daß er noch auf eine gewisse Art und Weise existent ist.«
»Ach«, sagte sie nur. Dann rückte sie ihre Brille zurecht, obwohl diese perfekt saß, aber sie mußte irgendwie ihre Nervosität loswerden. »Sie meinen, daß er - daß er… Nein, das glaube ich nicht. Wenn ich da einen Schritt weiterdenke, fällt mir nur ein - etwa der Geist eines Toten?«
»So ist es.«
Sie holte scharf Luft. Dann sah es so aus, als wollte sie mir etwas sagen, aber sie hielt sich zurück. Wahrscheinlich aus einem gewissen Taktgefühl.
»Es ist schwer zu glauben, ich weiß, aber Sie sollten mich da schon ernst nehmen und auch meinen Rat befolgen.«
»Einen Rat? Welchen denn?«
»Es ist vielleicht besser für Sie, Mrs. Fillmore, wenn Sie dieses Haus verlassen und mich hier allein wirken lassen.«
Margot Fillmore wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. »Ich soll gehen?« flüsterte sie.
»Es wäre am besten.«
»Nein, das können Sie nicht verlangen. Das hier ist mein Haus. Ich bin dafür verantwortlich. Ich leite dieses Museum. Ich werde hier bei Ihnen bleiben.«
»Diese Antwort habe ich befürchtet.«
»Außerdem fürchte ich mich nicht vor Geistern. Wenn Sie wollen, können wir das Licht einschalten, dann wird es noch heller.«
»Nein, das können Sie lassen. Sie fürchten sich nicht davor, weil Sie nicht daran glauben.«
»Das kann schon sein.«
Ich hob die Schultern. »Wir werden sehen, Mrs. Fillmore.«
»Pardon, aber das ist keine Antwort. Ich möchte schon die ganze Wahrheit wissen.«
»Nein, Sie würden sie nicht akzeptieren. Jedenfalls werden wir beide vorsichtig sein müssen.«
Die Frau hob nur die Schultern. Da sie nicht mehr sprach, gelang mir ein erster, genauerer Blick durch den großen Raum.
Daß sich hier früher einmal ein Krankenzimmer befunden hatten, war wirklich nicht mehr zu erkennen. Man hatte einen perfekten Umbau gestartet, und es gab auch keine störenden Wände, die den Ausstellungsstücken im Wege gestanden hätten.
Ein Mittelgang war vorhanden. Rechts und links bauten sich die unterschiedlich großen Vitrinen auf, in denen die Dinge ausgestellt worden waren, die das Meer lieferte. Nicht nur die präparierten Fische, auch Krebse, Muscheln, Austern, sogar Vögel gehörten dazu. Von der Möwe bis hin zum Albatros war alles vorhanden, nur eben unter einem Schutz, der auch nötig war. Ich wußte aus meiner Schulzeit, daß wir die Dinge, die im Museum standen, immer gern angefaßt hatten, um so ein wenig vom Hauch der Vergangenheit mitzubekommen.
Ich war schon vorgegangen und hielt mich in diesem Mittelgang auf. Die Vitrinen interessierten mich nicht. Hinter den durchsichtigen Scheiben konnte sich niemand verstecken, doch mit jedem Schritt, den ich zurücklegte, kam ich dem eigentlichen Arbeitsraum des toten Arztes näher.
Davon war natürlich nichts mehr zu sehen. An der rechten Seite stand eine große Glasvitrine, in der man den Meeresboden in einer bestimmten Tiefe im Modell aufgebaut hatte.
Es war ein exotisches Stück, denn auf dem Sandboden wuchsen zahlreiche Korallen in unterschiedlichsten Formen. Haargenau nachgebaut und auch mit den entsprechenden Tieren der Umgebung. So lagen auf dem hellen Sand zahlreiche Krebse und Muscheln, die zum Teil wunderbare Farben aufwiesen. Auch die Unterwassergewächse hatte man nicht vergessen, und ein gewisses Licht gab dem Innern der Vitrine ein geheimnisvolles Schimmern.
Ich drehte mich um.
Es war aus einem Gefühl heraus geschehen, denn einen besonderen Grund gab es nicht für mich. Vielleicht hatte ich es auch deshalb getan, weil die Frau plötzlich hinter mir stehengeblieben war. Sie stand steif auf der Stelle, aber das war es nicht, was mich störte, denn hinter ihr hatte sich Dr. Sensenmann aufgebaut, hielt sie mit der linken Hand umfaßt und drückte ihr mit der rechten die
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