0956 - Die Schlangenfrau
esdenn?«
»Das ist schwer zu erklären«, flüsterte sie. »Es hat auch alles ganz harmlos sein können. Es ging nur darum, daß ich kurz bevor ich meinen Bruder fand von draußen her ein Geräusch hörte. Ein Wagen fuhr vor, hielt kurz und fuhr wieder los.«
»Haben Sie gesehen, was für ein Fahrzeug es war? Oder haben Sie sich vielleicht sogar das Kennzeichen notiert?«
»Nein. Erst später bin ich nach draußen gelaufen. Da fand ich ihn dann auf der Treppe.« Daß bei diesen Worten die Emotionen nicht hochstiegen, lag einzig und allein an dem verabreichten Medikament. Sonst wäre sie bestimmt ausgeflippt. Sie fing aber an zu weinen und erklärte schluchzend, daß sie zuerst bei den Conollys angerufen hätte, dann bei der Polizei. Als ich behutsam weiterfragte, bekamen wir zu hören, daß sich Judy vor Angst in einem großen Schrank im Eingangsbereich bis zum Eintreffen der Polizei versteckt gehalten hatte.
»Sie haben den Wagen zwar nicht gesehen, Judy, aber können Sie sich vorstellen, wer der oder die Fahrer gewesen sind?«
»Nein.«
»Sie hatten mit Ihrem Bruder indirekt zu tun. Er muß Ihnen aufgefallen sein, sonst wäre er nicht…«
»Das weiß ich alles, Mr. Sinclair, das ist mir alles klar. Nur weiß ich über ihn nicht viel.«
»Wie war das mit dem Tierschutz?« Ich spielte jetzt mein karges Wissen aus. »Hat er sich nicht in dieser Richtung hin engagiert? Oder irre ich mich da?«
»Eric war ein extremer Tierschützer. Er wollte alle Tiere befreien. Er hat die Menschen gehaßt, die sie einsperrten. Er sucht immer diejenigen Typen, die unterwegs sind, um unschuldige Katzen und Hunde einzufangen, und er ging dabei sehr intensiv vor.«
»Das haben die Tierfänger herausbekommen.«
»Müssen sie wohl, Mr. Sinclair.«
Ich nickte. »Aber Ihr Bruder hat mit Ihnen darüber nicht gesprochen oder?«
»Nein. Ich kenne keine Namen, wenn Sie das meinen. Es ist alles anders bei uns. Ich habe mich auch für die Sachen meines Bruders nicht interessiert. Aber das Jagen der Tierfänger war schon mehr als ein Hobby.«
»Aber Ihre Eltern wußten davon?«
»Sicher.«
»Wie standen sie zu der Aufgabe Ihres Bruders?«
»Sie hatten Angst.«
»Um ihn?«
»Ja.«
»Aber sie haben ihn nicht aktiv unterstützt?«
»Das taten sie nicht.«
»Noch einmal, Judy, auch wenn es weh tut: Ihr Bruder hat nichts über Namen gesagt?«
»Wirklich nicht«, flüsterte sie. »Außerdem bin ich jetzt müde. Ich möchte schlafen.«
»Das verstehe ich.« Ich strich über ihre schweißnasse Stirn. »Wir werden später noch miteinander reden.«
»Ist gut«, murmelte sie und war schon weg.
Ich drehte mich um. Der Kollege hatte den Raum verlassen, nur Suko wartete auf mich. Er hatte natürlich alles mitbekommen. Sein Gesicht zeigte einen nicht eben erfreuten Ausdruck. »Wenn ich ehrlich sein soll, sieht es nicht gut aus. Was haben wir denn?«
»Kaum Spuren.«
»Eben.«
»Aber es muß welche geben«, sagte ich. »Wo?«
»Wenn dieser Eric Ganter so aktiv war, dann setze ich auf zwei Felder. Zum einen schauen wir uns hier in seinem Zimmer um, zum anderen müssen wir unbedingt mit Johnny Conolly reden. Er war mit Eric zusammen. Auch ihm wollte man an den Kragen. Ich kann mir vorstellen, daß der junge Ganter ihn teilweise eingeweiht hat.«
»Dann ruf ihn an.«
»Das wollte ich gerade.« Ich telefonierte mit meinem kleinen Handy.
Bald hörte ich Sheilas Stimme. Ich erfuhr, daß bei den Conollys noch alles okay war, nur würde ich Bill nicht sprechen können. Er war auf dem Weg zu uns.
»Das ist im Moment auch nicht wichtig, Sheila. Es geht mir mehr um deinen Sohn. Er ist in diesem Fall die treibende Kraft, und ich möchte, daß er bei dir bleibt, damit ich mit ihm reden kann. Oder hat Bill ihn mitgenommen zu den Ganters?«
»Nein, Johnny ist hier.«
»Okay, dann bis gleich.« Als ich das Handy wegsteckte, kehrte Frank Dean zurück.
Er schaute sich kurz um, doch es hatte sich nichts verändert. Dann nickte er uns zu. »Sie wollen sicherlich das Zimmer des Ermordeten sehen.«
»Das wäre gut.«
»Wir müssen nach oben.« Hinter ihm stiefelte Suko und ich her. Das Haus war nicht groß. In der ersten Etage empfand ich es sogar als ziemlich eng. Die Türen zu den Zimmern standen offen.
So konnten wir in einen Schlafraum ebenso hineinschauen wie in ein Bad, eine Dusche und in das Zimmer von Eric Ganter.
»Hier, meine Herren, schauen Sie sich um.«
Auch wenn er selbst - aus welchen Gründen auch immer - keine Tiere hielt, so
Weitere Kostenlose Bücher