0956 - Die Schlangenfrau
er, als man ihm die Schlange in den Mund stopfte.«
Ich schwieg. Ich schluckte, denn ich konnte mir vorstellen, welch schrecklichen Tod er erlitten hatte. Erstickt durch die Schlange grausamer konnte man nicht sterben.
»Und was ist mit dem zerschnittenen Gesicht los?« wollte Suko wissen.
»Nicht zerschnitten, Inspektor. Es ist zerbissen worden. Durch die Zähne der Schlange. Wir haben Spuren von Blut und Hautresten an ihnen gefunden. Der junge Mann ist auf eine furchtbare Weise ums Leben gekommen. So etwas wünsche ich meinem schlimmsten Feind nicht.«
Die Schlange steckte noch im Mund des Toten. Bevor ich mich bückte, erkundigte ich mich bei dem Arzt, ob sie tatsächlich nicht mehr lebte.
Beinahe böse schaute er mir in die Augen. »Hören Sie mal, Mr. Sinclair, sehen Sie vielleicht, daß sie lebt? Zuckt sie und…«
»Keine Sorge, Doc. Ich habe die Frage aus bestimmten Gründen gestellt.« Diesmal bückte ich mich. Ich faßte die Schlange auch an. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind Schlangenkörper trocken. Das war hier nicht der Fall. Dieses Tier fühlte sich feucht an, was aber weniger an ihm selbst lag, sondern an der Witterung denn es regnete nach einem heftigen Wetterumschwung.
Die Schlange war so dick, war so groß, daß ich sie mit einer Hand gerade so umfassen konnte. Sie steckte ziemlich fest und auch tief im Rachen des Toten. Ich mußte schon viel Kraft aufwenden, um sie aus dem Maul ziehen zu können.
Zweimal zerrte ich daran.
Dann klappte es.
Plötzlich flutschte sie aus der Öffnung hervor. Wie eine lange, grüne Wurst hielt ich sie in der Hand, wobei ich den Arm noch ausgestreckt hatte.
Ich sah den Kopf. Ich sah die Augen und das geschlossene Maul.
Plötzlich zuckte die Schlange hoch und fuhr zu mir herum, als wollte sie sich in meinem Gesicht festbeißen…
***
Sheila Conolly und ihr Sohn waren allein zurückgeblieben, was Sheila nicht besonders gefiel, denn wieder einmal fühlte sie sich in ihrem eigenen Haus unwohl.
Bill hatte ihr von den Spuren berichtet, die ihm rund um das Haus herum aufgefallen waren. Das hatte Sheilas Nervosität nicht eben gesenkt. Sie konnte nicht auf einem Sessel oder auf der Couch ruhig sitzen, sondern schritt in ihrem Wohnraum hin und her, ab und zu einen Blick nach draußen werfend, um den Garten zu beobachten.
Sie hätte natürlich das Rollo vor die Scheibe fahren lassen können. Das aber wollte sie nicht, denn dann hätte sie sich zu stark eingesperrt gefühlt und zudem den Eindruck gehabt, sich selbst einen Fluchtweg abgeschnitten zu haben.
Nur die Tatsache, daß sich ihr Mann nicht sehr weit von ihrem Haus befand, gab ihr etwas Mut, aber die Unruhe konnte dieses positive Gefühl nicht vertreiben.
Deshalb lief sie unruhig hin und her. Im Gegensatz zu ihrem Sohn, der äußerlich ruhiger wirkte, obwohl er schon zitterte, denn Erics Tod hatte auch ihn stark getroffen. Er stand in der Küche und hatte Mühe, sich das Glas einzuschenken. Natürlich verschüttete er was.
Johnny wischte die kleine Pfütze weg, behielt dabei das Fenster im Auge, ohne etwas entdecken zu können. Er fror, wenn er in den düsteren Garten schaute. Für ihn war er plötzlich eine andere Welt. Ein fremdes, nahezu unheimliches Terrain, dunkel und geheimnisvoll, in dem sich zahlreiche Feinde verstecken konnten.
Ihn fröstelte, doch er wollte sich in Gegenwart seiner Mutter zusammenreißen.
Es reichte, wenn sie sich Gedanken machte. Da wollte er nicht noch etwas potentieren.
Als er sie seinen Namen rufen hörte, gab er ihr noch aus der Küche Antwort, damit sie sich beruhigte. Dann ging er mit dem gefüllten Glas in der Hand zu ihr. »Ich habe mir nur etwas zu trinken geholt, Mum. Es ist alles okay.«
»Ja, schon gut. Aber ich bin nervös.«
»Die Frau ist sicherlich weg!«
»Glaubst du das?«
»Kann doch sein.«
Sheila ließ sich mit der Antwort Zeit. »Nein, Johnny, daran kann ich nicht glauben. Wir stehen auf ihrer Liste. Dein Vater und du. Ich letztendlich auch.«
Johnny trank noch im Stehen. Dann setzte er sich, stellte das Glas auf seine Oberschenkel und hielt es mit beiden Händen fest, damit seine Mutter nur nicht das Zittern bemerkte. »Ich glaube daran, daß Dad und Onkel John bald hier sind.«
»Hoffentlich, Junge.«
»Dann werden sie noch einmal den Garten durchsuchen. Vielleicht finden Sie ja die Frau.«
Sheila lächelte schief. »Frau ist gut, Johnny. Du hast sie doch gesehen. Ist sie dir dabei wirklich vorgekommen wie eine Frau? Oder hattest du
Weitere Kostenlose Bücher