0956 - Die Schlangenfrau
aus, wand sich am Körper hoch, um ihren Platz in den Haaren einzunehmen.
Sheila hätte sich gern auf die Seite gedreht. Das ließ Snake nicht zu.
Nach wie vor drückte sie den Fuß auf den Leib der Besiegten. Dabei blickte sie Sheila nicht an, sondern schaute sich im Zimmer um, als wäre sie auf der Suche nach einem bestimmten Gegenstand.
»Soll ich jetzt für Stunden hier auf dem Boden liegen bleiben?« erkundigte sich Sheila.
»Nein, es wird sich etwas ändern. Für dich und deinen Sohn.«
»Und was, bitte?«
»Abwarten. Es dauert nicht mehr lange.«
Sheila hatte verstanden, aber leider nicht begriffen. In ihrer Phantasie malte sie sich gewisse Dinge aus, über die sie nur ungern nachdenken wollte. Da konnte es schon zu grauenvollen Dingen kommen, wenn sie in die Gewalt dieser Schlangenfrau geriet. Zudem wußte sie nicht, was hinter ihr steckte, welches Ziel sie verfolgte. Das Herbeischaffen von Hunden und Katzen konnte es doch nicht sein. Deswegen brachte man doch keinen Menschen um, wie sie es bei Eric Ganter getan hatte.
Etwas stimmte nicht mehr. Einiges war anders, ganz anders geworden.
Man hatte die Regeln auf den Kopf gestellt. Das Fangen der Tiere war nur ein Anfang. Es war der Bach, der sich später zu einem Strom entwickeln würde.
Snake beugte sich vor. Der Fuß war von Sheilas Leib verschwunden. Sie konnte von unten her in das Gesicht der anderen schauen und verspürte auch keinen Druck auf ihrem Körper. Es hätte ihr gutgehen können, nur wollte sie daran nicht glauben.
Snake lächelte. Die roten Lippen zogen sich in die Breite. Das Lächeln war böse, gemein, und in den Pupillen entdeckte Sheila plötzlich eine Veränderung, die parallel mit dem Lächeln begann. Sie konnte diese Veränderung nicht genau kommentieren, jedenfalls veränderte sich die Farbe, und so etwas wie ein grüner Schein trat hervor.
Grün, aber nicht blank, denn auf der Oberfläche lagen zahlreiche kleine Schuppen, die einen Panzer bildeten, als wollten sie einen Widerstand zeigen.
Snake beugte sich noch tiefer. Sie streckte dabei die Arme aus. Sheila spürte die Berührung der Finger, deren Kuppen weich waren, als wollten sie den Körper streicheln.
Die Augen!
Nur die Augen!
Sheila sank hinein. Sie wurden größer, immer größer, und sie hörte auch das Zischen, das diese Veränderung begleitete. Da war keine menschliche Stimme vorhanden. Das fremde Geräusch durchwirbelte ihre Ohren. Es traf sie von allen Seiten, es war laut, sehr laut, als wären sie von Hunderten von Schlangen umgeben.
Und es war nicht nur in ihrem Kopf, sondern auch in ihr Bewußtsein eingedrungen. Es raubte einfach ihre Gedanken. Die Augen der Schlange saugten ihr Gehirn leer. Sheila war dabei, ihre Menschlichkeit zu verlieren. Sie würde nicht mehr so denken und handeln können wie ein Mensch. Sie spürte die fremde Macht, und bevor sie richtig wegkippte, dachte sie noch an ihren Mann und dessen Freund John Sinclair.
Wenn sie kamen, und sie kamen leider zu spät, dann würden sie wahrscheinlich zwei tote oder zumindest zwei veränderte Personen vorfinden…
***
»Die Rätsel werden größer werden«, sagte Suko, der neben mir saß und ebenso wie ich auf die Heckleuchten von Sheilas kleinem Golf schaute, mit dem Bill gekommen war. »Bestimmt.«
»Dann sollten wir uns fragen, welche es sind.«
Ich hob die Schultern. »Tut mir leid, ich weiß einfach zuwenig über die Ophiten.«
»Mir geht es genauso. Aber wen können wir fragen?«
»Lady Sarah?«
Suko nickte. »Kann sein. Möglicherweise besitzt sie Literatur darüber.«
»Aber erst morgen«, sagte ich. »Nur nicht mehr heute.«
»Warum nicht?«
»Weil ich noch dorthin möchte, wo Johnny und sein Freund Eric die Tierfänger entdeckt haben.«
»Ob der Täter an den Ort seiner Taten zurückkehrt, ist mehr als fraglich, John.«
»Stimmt. Aber was schlägst du sonst vor, abgesehen von einem Besuch bei Lady Sarah?«
»Einen anderen Besuch.«
»Schön. Und wo bitte?«
»Bei uns im Yard Building. In der Fahndungsabteilung wird man bestimmt froh über die kleine Abwechslung sein. Du darfst nicht vergessen, daß auch Johnny die Typen gesehen hat. Wenn sie auf unserer Liste stehen, kann er sie herausfinden.«
»Davon bin ich noch nicht überzeugt, Suko.«
»Warum nicht?«
»Es war dunkel, das weißt du selbst. Und dann muß alles ziemlich schnell gegangen sein. Nicht mal die Wagennummer haben sich die beiden merken können.«
»Dann warten wir ab.«
»Sicher.«
Weit war es nicht
Weitere Kostenlose Bücher