0956 - Die Schlangenfrau
Gebisses war identisch mit dem einer Schlange. Sheila jedenfalls traute ihr alles zu. Die Fremde wartete ab. Sie genoß dabei ihre Überlegenheit und die nervöse Spannung der normalen Menschen.
»Ich heiße Snake«, sagte sie schließlich. »Einfach nur Snake. Wie die Schlange.«
Beide wunderten sich. Mutter und Sohn kamen mit dieser Antwort nicht zurecht. Snake war ein Begriff, aber kein Name. Nur blieb ihnen nichts anderes übrig, als dieser Person genau die Antwort abzunehmen. Sie würden keine andere bekommen.
»So heißt man nicht!« erklärte Sheila trotzdem. »Snake ist einfach kein Name.«
»Für mich schon. Wo ich zu Hause bin, ist er ein Name.«
»Und wo ist das?«
»Ich werde es euch nicht sagen, aber ihr werdet es möglicherweise kennenlernen. Ich bin gekommen, um mit euch zu spielen. Ich brauche jemanden. Ihr seid die richtigen.«
Das hatten auch Johnny und Sheila bemerkte. Nur wollten sie keine Opfer sein. Weder Mutter noch Sohn wußten bisher genau, mit wem sie es zu tun hatten. War diese Person eine normale Frau die es geschafft hatte, Schlangen so zu dressieren, daß sie ihr nicht nur aufs Wort gehorchten, sondern schon auf ein Augenzwinkern hin, oder steckte hinter ihr tatsächlich jemand völlig anderes? Eine Fremde, sogar eine Person aus einer anderen Welt oder aus dem fernen All, wie der Junge bereits vermutet hatte?
Es konnte alles zutreffen, aber noch wußten sie zuwenig. Und freiwillig würden sie von Snake auch nichts erfahren, das stand für sie fest. Sheila dachte natürlich an ihren Mann und seinen Freund John Sinclair.
Himmel, wie lange hielten sie es nur bei den Ganters aus? Hier und nicht dort spielte die Musik.
Die Zeit drängte!
Eine Waffe befand sich nicht in ihrer Nähe. Sheila dachte sogar an den Einsatz der Goldenen Pistole, obwohl sie diese Waffe haßte, weil sie ultimativ war.
Ihr Mann Bill hatte sie aus Sicherheitsgründen in einem Tresor aufbewahrt, und an ihn, der sich in Bills Arbeitszimmer befand, würde sie nicht herankommen.
Auch Johnny wollte sich nicht kampflos ergeben. Er hatte während seiner Kinder jähre schon zu oft zurückstecken müssen. Inzwischen war er gewachsen. Er hatte an Größe und auch an Kraft gewonnen, allein durch seinen Sport, den er in der Schule und auch hin und wieder im Verein trieb, wenn es halt die Zeit erlaubte.
Snake stand seitlich von ihm. Sie schaute mehr seine Mutter an als ihn, und darauf baute der Junge.
Er dachte an seine Starts als Kurzstreckenläufer. Immer war er von der Linie gut weggekommen, immer wieder. Der Trainer war mit ihm zufrieden gewesen. Und jetzt konnte er diese Schnelligkeit ausspielen, mußte es sogar, wenn er die andere Person überrumpeln wollte.
Aus dem Stand jagte er mit kleinen, aber schnellen Schritten auf Snake zu, begleitet vom Schrei seiner Mutter…
***
Johnny hatte getan, was er konnte. Er glaubte auch, noch nie so schnell in seinem Leben gewesen zu sein. Ob es stimmte oder nicht, spielte keine Rolle mehr, denn Snake war schneller.
Nein, nicht sie direkt, es war die Schlange, die eingriff und sich gedankenschnell aus ihren Haaren löste. Sie war wie ein Pfeil oder ein Blitz, der heranjagte, und dem er Junge, mochte er auch noch so flink sein, nicht ausweichen konnte.
Das Tier erwischte ihn, falls es überhaupt ein Tier war. Zumindest kein normales.
Es klatschte nicht gegen sein Gesicht, auch wenn es im ersten Augenblick für ihn so ausgesehen hatte. Die Schlange erwischte seinen Hals und wickelte sich darum fest.
Das passierte, als sich Johnny noch mitten im Lauf befand. Als er den warmen Körper wie einen Galgenstrick spürte, stoppte er mitten im Lauf.
Er riß weit den Mund auf. Jemand, auf dessen Hals der Klotz einer stumpfen Guillotine gefallen war, mußte sich ähnlich fühlen wie er. Die Luft war ihm brutal genommen. Sein Lauf hatte man gestoppt, und die andere Kraft schob ihn zurück.
Er konnte weder atmen noch sprechen - nur gurgeln. Er hörte die Rufe seiner Mutter, als er auf unsicheren Beinen zurücktorkelte und dabei gegen die offene Bar stieß, in der nun die Flaschen anfingen zu schwanken und gegen die Gläser stießen, die dort standen.
Johnnys Gesicht war schrecklich verzerrt. Für seine Mutter mußte es so aussehen, als läge ihr Sohn tatsächlich in den letzten Zügen.
Und dieser Gedanke ließ auch bei Sheila den berühmten Faden reißen.
Sie hielt nichts mehr an ihrem Platz. Wie Johnny, so jagte sie jetzt auf die verfluchte Schlangenhexe zu, um ihr mit beiden
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