0956 - Die Todeszone
die nächsten Stunden zu überstehen. Smitherstone hatte Waffen ausgegeben und Wachen eingeteilt, doch die Nacht hatte weitere Opfer gekostet. Als der Morgen endlich anbrach, versammelten sich die Überlebenden auf der Brücke. Es waren nur noch sieben.
»Lasst uns ein Boot nehmen und von hier verschwinden«, sagte Enrique. Der alte Matrose hielt seinen Karabiner so fest umklammert, dass die Knöchel weiß hervortraten. Seine eisgrauen Augen wanderten unruhig umher, stetig auf der Suche nach dem unbekannten Angreifer.
»Ausgeschlossen«, erwiderte Smitherstone kopfschüttelnd. »Die Wellen sind viel zu hoch. Da draußen überleben wir keine halbe Stunde.«
»Und hier drinnen? Das Ding holt jeden von uns, einen nach dem anderen. Ich sage, wir gehen.«
Die meisten waren dazu übergegangen, das, was ihre Kameraden geholt hatte, einfach als »das Ding« zu bezeichnen.
»Nein«, sagte Matti. Der junge Filipino hatte sich mit einer Machete bewaffnet. Smitherstone hatte keine Ahnung, wie der Matrose die Waffe an Bord geschmuggelt hatte, aber er war ihm dankbar dafür. »Der Kapitän hat recht. Da draußen haben wir keine Chance. Es ist unser Schiff, und wir werden es diesem Ding nicht kampflos überlassen.«
»Und wie willst du es bekämpfen? Wir wissen noch nicht einmal, wo es ist.«
»Es kann sich nicht ewig vor uns verstecken. Lasst uns noch einmal im Maschinenraum suchen. Dort haben es die meisten von uns gehört. Und von da aus durchkämmen wir systematisch das gesamte Schiff.«
»Ich bin dabei«, sagte Angus. Dem hünenhaften Schotten fehlten zwei Finger, die er angeblich verloren hatte, als er einen weißen Hai mit bloßen Händen getötet hatte. Selbst diejenigen, die das für übles Seemannsgarn hielten, mussten zugeben, dass sie noch nie eine Situation erlebt hatten, in der Angus so etwas wie Angst gezeigt hatte. Doch jetzt zitterte seine Stimme und die Augen flackerten unruhig. Aber das machte den Schiffsmechaniker offenbar nur noch entschlossener, sich ihrem unheimlichen Gegner zu stellen. »Geben wir's dem Schweinehund! Wer kommt mit?«
Eine bange Sekunde reagierte niemand, dann schossen die Hände in die Höhe. Sie waren stolze Seeleute und würden nicht wie wehrloses Schlachtvieh auf ihr Ende warten.
»Okay.« Matti sprang auf. »Der Kapitän und Enrique bleiben auf der Brücke und bringen uns sicher durch den Sturm. Der Rest folgt mir.«
Eine heftige Böe warf Matti fast um, als er die Tür öffnete und sich ins Freie kämpfte. Der Wind brüllte so heftig, als sei er selbst ihr unsichtbarer Feind. »Mir nach! Bevor dieses Ding uns alle umbringt!«
Eng an die Schiffswand gepresst nahmen sie den nächsten Weg zum Maschinenraum. Sie blieben dicht beieinander, als sie sich immer tiefer in den Bauch des Schiffes vorwagten. Bis sie neben dem infernalischen Dröhnen der gegen die tobende See ankämpfenden Maschinen ein anderes Geräusch hörten, das selbst den Mutigsten unter ihnen kalte Schauer durch die Wirbelsäule jagte. Ein Schaben und Kratzen, Schlürfen und Schmatzen, das schlimmer war als alles, was sie je gehört hatten.
Matti sah seine Kameraden an, denen das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand. Dann hob er die Machete wie ein General, der seine Soldaten in die verlorene Schlacht führt, und gab den Befehl zum Angriff. Schreiend stürmten die Seeleute vorwärts, doch als sie die Quelle der widerwärtigen Geräusche erreicht hatten, wussten sie, dass ihnen ihre Pistolen, Messer und Macheten nichts nützen würden.
Eine groteske Mischung aus einem Menschen und einem Fisch hockte inmitten der ausgeweideten Körper ihrer Kameraden und sah sie verwundert an. »Da seid ihr ja schon«, sagte die bizarre Kreatur. »Wie praktisch, dann muss ich euch nicht selbst holen.«
Wie auf ein geheimes Signal hoben die verängstigten Seeleute ihre Waffen und griffen an. Es war der Mut der Verzweiflung, der sie vorwärtstrieb, doch der Kampf war schnell entschieden. Beragol ließ seine Klauen durch den Raum wirbeln, zerriss die zerbrechlichen Körper der Seeleute und fraß ihre Seelen. Dann streckte er sich, rülpste genüsslich und verließ sein Versteck.
Der Sturm war noch stärker geworden, doch als Beragol an Deck trat, witterte seine feine Nase sofort die beiden letzten lebenden Menschenwesen, die sich auf der Brücke verkrochen hatten. Ihre Angst war deutlich zu riechen, sie verlieh ihren Seelen erst die richtige Würze.
Beragol kämpfte sich durch den tosenden Wind, riss die Tür zur Brücke auf
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