0956 - Die Todeszone
verdammt, hast du schon mal was von Klopfen gehört?«, fuhr Nicole den Freund an.
»Wir hätten beschäftigt sein können - und diesen Schock wollen wir deinem unschuldigen Gemüt wirklich ersparen«, fügte Zamorra grinsend hinzu, doch er wurde schnell ernst, als er Lafittes puterrotes Gesicht sah, das sich jetzt vor Scham und Verunsicherung noch dunkler färbte.
»Schon gut, Pascal; was hast du auf dem Herzen?«
»Ihr werdet nicht glauben, was ich gerade gefunden habe«, japste der Dorfbewohner kurzatmig. Offenbar war er von seinem Gästezimmer bis zu Zamorras Arbeitszimmer gerannt. Ohne weitere Erklärung hielt er Zamorra einen weiteren Ausdruck entgegen. Es war ein einziges Din-A4-Blatt mit einer kurzen Meldung der französischen Nachrichtenagentur AFP.
»Es ist schon ein paar Tage alt. Ich hatte es übersehen, weil ich mich nur auf rein paranormale Phänomene konzentriert hatte«, sagte Pascal zerknirscht. »Offenbar hat das kolumbianische Militär ein riesiges Areal im Dschungel abgesperrt.«
Zamorra überflog den Text und reichte ihn dann an Nicole weiter. »Reaktorunfall?«, fragte die Dämonenjägerin ungläubig. »Wollen die uns verarschen?«
***
Atlantischer Ozean, nahe der mexikanischen Küste
Kapitän William S. Smitherstone war berühmt für sein perfektes Gehör. Allein am Klang der Stimme konnte er in der Regel nach wenigen Sekunden die Herkunft eines neuen Matrosen erraten. Nicht nur das Land, aus dem er stammte, sondern auch die Region und oft genug sogar die konkrete Stadt. Eigentlich hatte er Musiker werden wollen, doch leider hatte sich ziemlich schnell herausgestellt, dass seine Fingerfertigkeit weit hinter der Empfindlichkeit seiner, Ohren zurückblieb.
Also war er, wie fast alle Männer seiner Familie zur See gefahren, und das sogar sehr gern. In wenigen Wochen würde er in den Ruhestand gehen, und Smitherstone freute sich schon darauf, in seinem Landhaus am Ohio in West Virginia seinen Lebensabend zu genießen und seltene Vogelstimmen zu katalogisieren.
Doch jetzt hatte sein Abschied unerwartet einen bitteren Beigeschmack bekommen. Warum hat gerade jetzt noch etwas passieren müssen, das einen dunklen Schatten warf auf seine bisher makellose Karriere? Smitherstone starrte durch die Frontscheibe der Brücke auf das stahlgraue Meer und lauschte dem beruhigenden Stampfen der Maschinen, das ihn ablenkte von den Schrecken der vergangenen Nacht. Die See war aufgewühlt, doch das mit schweren Landmaschinen für kolumbianische Zuckerfabriken beladene Schiff lag perfekt im Wasser. Nicht die kleinste Unregelmäßigkeit beeinträchtigte den Gleichklang der mächtigen Zwillingsmotoren.
Der Kapitän war so in seinen Gedanken versunken, dass er erschreckt zusammenfuhr, als Matti die Brücke betrat. Der philippinische Bootsmann sah so bleich aus, als wäre er dem Klabautermann persönlich begegnet.
»Sir, es hat noch jemanden erwischt.«
»Was?« Smitherstone sah den Filipino ungläubig an. Der alte Seemann war stolz darauf, in seiner langen Kapitänslaufbahn noch nie einen Mann verloren zu haben. Und jetzt sollte es innerhalb von 24 Stunden gleich zweimal passiert sein? Das war völlig undenkbar. »Sind Sie sicher?«
»Ja, Sir. Wir haben alles abgesucht.«
»Wer?«
»Felipe.«
»Gottverdammt.«
Bei Raoul, der letzter Nacht ohne jede Spur verschwunden war, hatte sich niemand wirklich gewundert. Nach einer hässlichen Scheidung hatte der argentinische Leichtmatrose seinen Kummer im Alkohol ertränkt und war immer unberechenbarer geworden. Vermutlich hatte er bei dem hohen Seegang das Gleichgewicht verloren und war über die Reling gegangen, nachdem er wieder mal zu tief ins Glas geschaut hatte.
Doch Felipe war ein ganz anderer Fall. Der Mexikaner war ein Ausbund an Umsicht. Dass er nächtens betrunken über das Deck torkelte, war völlig ausgeschlossen.
»Wann wurde er zuletzt gesehen?«
»Gestern um 22 Uhr, Sir. Er war mit den anderen noch eine an Deck paffen und wollte dann in der Koje verschwinden. Da er heute Morgen eine Freiwache hatte, ist zunächst niemandem aufgefallen, dass er fehlt.«
Kapitän Smitherstone wusste nur zu gut, dass es für Felipe keine Rettung gab. Trotzdem würde er alles tun, um den Verschollenen zu retten.
»Matthew, wenden um 180 Grad«, wies er seinen Ersten Offizier an. »Und verständigen Sie die mexikanische Küstenwache. Vielleicht sind sie noch in der Nähe.«
»Aye, Sir«, erwiderte Matthew Harris und leitete alles Nötige für den Beginn der
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