0956 - Die Todeszone
hinter ihnen, doch Zamorra bemerkte, dass seine Partnerin nachdenklich die Stirn gerunzelt hatte.
»Stimmt was nicht?«
»Ich weiß nicht«, sagte Nicole. Die Dämonenjägerin wirkte leicht verwirrt. »Vermutlich ist es nichts.«
Eine wahre Wasserwand kam ihnen entgegen, als sich die automatischen Türen am Ausgang öffneten. Fluchend sprang Nicole einen Schritt zurück.
»Willkommen in Bogotá, der Perle der Karibik«, feixte Paula. »Mein Auto steht dort drüben.«
Sie machten sich nicht die Mühe zu rennen. Nach zwei Sekunden war sowieso jeder Faden am Leib völlig durchnässt. Heftig fluchende Menschen hüpften in wartende Taxis oder sprangen aus ihnen heraus, im vergeblichen Versuch, auf dem Weg in die Abflughalle wenigstens einigermaßen trocken zu bleiben.
Ein paar Meter vor ihnen geriet der Fahrer eines Lieferwagens in einen heftigen Streit mit einem Flughafenangestellten. Der blaue Van trug das Logo einer Wäscherei und blockierte offenbar eine Zufahrt. Die Auseinandersetzung war so heftig, dass die beiden Streithähne den Weltuntergang um sie herum kaum zu bemerken schienen.
»Der rote Sedan da drüben«, sagte Paula und deutete auf ein zerbeultes Gefährt, das direkt hinter dem Van im Halteverbot stand. Sie hatten den Wagen fast erreicht, als Nicole auf dem glitschigen Bürgersteig ausrutschte. Blitzschnell packte die Reporterin zu, erwischte Nicoles rechten Arm und bewahrte die Französin davor, der Länge nach hinzuschlagen.
Für einen Moment waren sich die Gesichter der beiden Frauen ganz nahe, und Zamorra sah, wie seine Partnerin zusammenzuckte.
»Gute Reflexe«, sagte Nicole - und griff an. Mit dem rechten Fuß trat sie der Reporterin die Beine weg, während sie die Kolumbianerin gleichzeitig an der Schulter packte und gegen die Wand des Flughafengebäudes stieß.
»Sie ist nicht, wer sie zu sein vorgibt«, schrie Nicole. »Ich habe es gespürt!«
Zamorra wusste sofort, was seine Gefährtin meinte. Nicole war Telepathin. Während er selbst in diesem Bereich nur minimal begabt war, konnte seine Gefährtin die Gedanken anderer lesen, sofern sie sich im selben Raum befand und das Gesicht ihres Gegenübers sehen konnte. Doch die Dämonenjägerin respektierte die Intimsphäre anderer Menschen und drang normalerweise nie ungefragt in deren Gedankenwelt ein. Wenn jemand sehr intensiv an etwas dachte und Nicole ihm dabei zu nahe kam, konnte es jedoch durchaus passieren, dass ein Gedanke quasi »übersprang« und Nicole ihn ungewollt aufschnappte.
Und genau das war hier passiert. Schon bei der Begrüßung musste Nicole eine vage Täuschungsabsicht gespürt haben und bei der versehentlichen Berührung hatte sie die Bestätigung bekommen.
»Hey, was soll das?«, protestierte die Frau, die sich ihnen als Paula Vásquez vorgestellt hatte. Sie versuchte, sich zu befreien, doch Nicoles Griff war erbarmungslos.
»Klappe, Schätzchen«, zischte die Dämonenjägerin. »Halt sie fest, Chef!«
Sofort übernahm der Parapsychologe die Sicherung der falschen Reporterin, achtete aber darauf, dass er Nicole nicht die Sicht verdeckte, denn er ahnte, was seine Partnerin vorhatte. Es war wohl dem sintflutartigen Regen zu verdanken, dass niemand Notiz von ihnen nahm. In einem Land, in dem korrupte Politiker und skrupellose Militärs ihre Gegner erbarmungslos verfolgten, hatten die Menschen außerdem gelernt, sich nur um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Alles andere konnte schnell tödlich enden. Selbst die beiden Männer am Lieferwagen brüllten in unveränderter Lautstärke aufeinander ein und schienen die Szene, die sich nur wenige Meter von ihnen entfernt abspielte, nicht einmal zu bemerken.
Während Zamorra die angebliche Reporterin festhielt, tastete Nicole sie nach Waffen ab.
»Sie ist sauber.«
»Was soll das? Seid ihr verrückt geworden?«
Nicole ignorierte die Frage. »Wer bist du?«
»Wer soll ich wohl sein? Paula Vásquez!«
»Nein, das bist du ganz bestimmt nicht.«
Die andere Frau lachte ungläubig auf. »Kannst du etwa Gedanken lesen?«
Nicole lächelte schmal. »In der Tat, das kann ich. Und genau das werde ich jetzt auch tun.«
Zamorra sah zu, wie sich seine Gefährtin konzentrierte, um in den Geist ihres Gegenübers einzudringen. Doch sie hatte gerade erst begonnen, als sie erschreckt zusammenfuhr. »Sie ist nicht allein!«
Der Parapsychologe wirbelte herum. Der Platz vor dem blauen Lieferwagen war leer. Im selben Moment verspürte er einen heftigen Schlag und sein Hinterkopf
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