0958 - Die Gruft des Beschützers
Taktik jedoch hatte er nichts zu ihnen gesagt. Er hatte ihnen nicht erklärt, daß man den Gegner nach Möglichkeit mit weit überlegenen Kräften angreifen solle. Er hatte sie in dem Glauben gelassen, daß die Technik, die er ihnen hinterließ, die weitestentwikkelte des ganzen Universums sei - zu einer Zeit, da die Valugi noch nicht ermessen hatten, wo die Grenzen des Universums überhaupt lagen -, und ihnen im großen und ganzen den Eindruck vermittelt, daß es im Grunde genommen nichts gab, wovor sie sich zu fürchten hätten.
Auf der Basis dieser Hinterlassenschaft hatte sich die Zivilisation der Valugi weiterentwickelt, nachdem der Erschütterer gegangen war. Eines hatte der Mächtige übrigens nicht vorhergesehen: daß die Valugi im Besitz der neuen Technik der geistigen Trägheit anheimfielen, nun, da sie Maschinen besaßen, die alles Nötige herbeischafften, und sogar solche die ihnen einen Teil des Denkens abnahmen.
Generationenlang hatten die Valugi nur die Früchte ihres Abkommens mit dem Erschütterer genießen können, nicht aber dessen Pflichten erfüllen müssen. Und jetzt, da zum ersten Mal fremde Eindringlinge den Fuß auf die Welt der Valugi setzten, da handelte es sich gar um solche, die sich erstens unberechenbar verhielten und denen zweitens mit einem kampfkräftigen Stoßtrupp aus achtzehn der fähigsten Krieger, darunter zehn Beschützten, nicht beizukommen war.
Man muß Verthas, dem Einhundertunddreizehnten Diener des Bebens, zugute halten, daß es in erster Linie der valugische Mangel an Kampferfahrung war, der ihn zu der Annahme veranlaßte, das Ende sei nahe und könne nur abgewendet werden, wenn sein Volk - und allen voran er selbst - eine letzte, heroische Anstrengung unternähme.
Solchen Sinnes, erklärte er seinem Hofstaat, daß er für die Dauer einiger Stunden nicht zu sprechen sein werde. Dann benützte er den geheimen Ausgang aus den Staatsgemächern der Diener des Bebens, die im Zentrum des Planeten lagen, und schwang sich in den Antigravschacht, der zur Gruft des Beschützers hinaufführte.
Es war das Privileg des Dieners des Bebens, zu wissen, daß der Weg zur Gruft „aufwärts" führte. Denn nur der Diener wußte, daß die Staatsgemächer im geometrischen Mittelpunkt des Planeten ruhten und daher jeder Weg, der von dort aus eingeschlagen wurde, nach oben führte.
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Die Gruft war eine Halle vor kreisförmigem Grundriß, mit einem Durchmesser von dreißig Metern und einer Höhe, die mindestens das Dreifache dessen betrug. Dem Eingang gegenüber erhob sich eine Statue, die in Überlebensgröße einen Angehörigen des Volkes der Valugi darstellte. Sie war aus natürlich gewachsenem Stein aufgeführt und verletzte den Schönheitssinn des artbewußten Valugi dadurch, indem sie ein ebenfalls aus Stein gefertigtes und daher glanzlos ‘graues Auge besaß. Das Standbild, so stimmte man überein, konnte unmöglich von einem Valugi erschaffen worden sein. In der Tat gab es eine Legende, die behauptete, der Erschütterer habe den Valugi dieses Bildnis hinterlassen.
Zur rechten Hand stand eine mächtige Säule von acht Metern Durchmesser und zehn Metern Höhe. Auf der Säule, annähernd in Augenhöhe der Statur im Hintergrund des Raumes, erhob sich ein seltsames Gebilde. Man sagte, es sei ein Fahrzeug, wie es von früheren Generationen benutzt wurde, als die Valugi noch über die Oberfläche dieser Welt streiften. Dem mochte so sein oder nicht. Das Gebilde selbst interessierte Verthas nicht. Er war seines Inhalts wegen gekommen.
Rings um die Säule herum führte eine metallene Treppe zu der Plattform hinauf, auf der das altertümliche Fahrzeug stand. Schweren Schrittes stieg Verthas die Stufen hinauf. Viermal zuvor schon hatte er diesen Gang unternommen, aber in der Vergangenheit war es stets gewesen, um dem Beschützer seine Aufwartung zu machen, um vor der Hülle des alten Fahrzeugs etliche Minuten in ehrfürchtiger Stille zu verbringen, wie es die Sitte forderte.
Sein heutiges Anliegen war dagegen ungewöhnlicher und ernster Natur. Es hatte, soweit Aufzeichnungen und Überlieferung zurückreichten, noch nie einen Diener des Bebens gegeben, der den Beschützer um die Kraft des Kampfes bat. Denn Kämpfe waren selten im Reich der Valugi, und noch nie war es vorgekommen, daß der Diener selbst in einen von ihnen hatte eingreifen müssen.
Vor der alten, grauen Metallhülle blieb Verthas stehen. Der Aufbau des Fahrzeugs enthielt zwei runde Fenster, die im Lauf der vielen
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