0959 - Asmodis’ Hölle
nicht mehr ankommen. Es gibt hier weder Ebbe noch Flut, alles bleibt immer gleich.«
»Mir doch egal«, murrte Tom, der sich bloßgestellt fühlte.
An den auf dem Grabstein angegebenen Positionsdaten, die eine Stelle etwa eine halbe Seemeile westlich der Friedhofsinsel bezeichnete, ging die PICCOLOMINI, weitab des Schiffsverkehrs, vor Anker. Zwanzig Minuten später führten die Studenten den ersten Tauchgang durch. Sie erreichten den in etwa zwanzig Metern liegenden Meeresboden, der hier hauptsächlich aus Pflanzen- und Algenteppichen bestand, problemlos.
Es war relativ hell hier unten. Trotzdem tauchten die Studenten mit eingeschalteten Helmscheinwerfern. Systematisch begannen sie, den Meeresgrund abzusuchen. Da Tom und Peter nicht die gleiche Taucherfahrung wie Eugenia besaßen, hatten sie abgemacht, auf jeden Fall zusammenzubleiben.
Sie waren noch keine fünf Minuten auf dem Meeresboden, als Eugenia plötzlich aufgeregte Handzeichen machte. Die Männer drehten sofort bei. Sie starrten atemlos auf die von Algen und Muscheln überwucherte lang gezogene Rundform, die von Eugenias Scheinwerferkegel beschienen wurde. Den Dreien lief es eiskalt über den Rücken, während sich ihre Aufregung sekündlich steigerte. Zumal ein Teil des seltsamen Gebildes mit viel Fantasie einer Takelage glich, die wie bizarre, mahnende Finger aus dem Pflanzenteppich hervor ragte. War das tatsächlich die STYGIA? Waren sie nur einen Flossenschlag von unermesslichen Schätzen entfernt? Sollte es tatsächlich so einfach sein?
Die Taucher bewegten sich auf das Gebilde zu und begannen mit Tauchermessern daran herum zu kratzen. Auch hier stellte sich Eugenia sehr viel geschickter als die jungen Männer an. Zehn Minuten später wussten sie, dass es sich tatsächlich um ein großes, auf der Seite liegendes Schiffswrack handelte. Was unter dem Muschelbewuchs zum Vorschein kam, waren Holzplanken!
Eugenia kratzte wie besessen an den verschiedensten Stellen, um eine Luke oder ein Leck zu finden, über die sie ins Innere des Wracks vordringen konnte, schaffte es aber an keiner Stelle, da sie die harten Verkrustungen, die wie ein Panzer wirkten, nicht großflächig abschaben konnte.
Währenddessen schwamm Tom, einer plötzlichen Eingebung folgend, über den seitlichen Bug, dort, wo man Schiffsnamen im Allgemeinen anzubringen pflegt. Er schaffte es mit Peters Hilfe, den er herbeiwinkte, handtellergroße Stücke zu entfernen. Ihr Herz klopfte wie wild, als sie plötzlich auf einen altertümlichen Buchstaben stießen.
Tom war gerade im Begriff, Eugenia zu holen, als die Planke, an der er eben noch gekratzt hatte, unvermutet nach oben schnellte. Der Student erlitt beinahe einen Herzinfarkt, als das gebogene Holzstück mit enormer Wucht haarscharf an seinem Kopf vorbeipeitschte. Lediglich ein paar läppische Millimeter trennten ihn vom Erschlagenwerden.
Das Holzstück, das durch die frei gewordene Spannung trotz Wasserbremse gut vier Meter nach oben geschleudert wurde, trudelte langsam wieder auf den Meeresboden zu und setzte, von einer Nebelwolke aus Kleinteilen begleitet, im Schlick auf.
Nachdem sich Tom und Peter wieder beruhigt hatten, alarmierten sie Eugenia. Aufgeregt deuteten sie auf das losgelöste Holzstück, das etwa zwei Meter lang und einen Meter breit war. Sie nickten sich zu und schnappten sich den Plankenrest. Zu dritt schafften sie das schwere Stück an die Wasseroberfläche und hievten es mit vereinten Kräften und der Hilfe einer Bordwinde an Bord der PICCOLOMINI.
»Mensch, Eugenia, das ist unglaublich«, sagte Tom atemlos, als sie auf Deck saßen und das Beutestück anstarrten. »Kann das wirklich wahr sein? Das Wrack dort unten hätte man doch längst entdecken müssen. Wir können unmöglich die Ersten sein.«
»Warum?«, gab die junge Italienerin zurück. »Die Adria ist voller Schiffswracks. Tausende sind bekannt und wer weiß wie viele nicht.«
Noch im Taucheranzug begann die tropfende Eugenia, die Planke erneut mit dem Messer zu bearbeiten. »Das ist absolut spannend«, murmelte sie. »Da steht der Schiffsname drauf, zumindest ein Teil davon. Gut gemacht, Jungs.«
Zwei Stunden später hatten sie endgültig Gewissheit. Die Italienerin konnte die freigelegten Buchstabenfragmente eindeutig als TYG identifizieren. Es brauchte nicht mehr allzu viel Fantasie, um den Namen zu vervollständigen.
»Das ist sie, das ist sie tatsächlich.« Eugenia wusste schon gar nicht mehr, wo sie mit ihrer Aufregung hin sollte. »Mensch,
Weitere Kostenlose Bücher