096 - Der grüne Leichnam
gegen den Türstock. Wild stieß ich ihn zur Seite und sprang auf den Gang hinaus.
Ein halbes Dutzend Ärzte und Pfleger kamen auf mich zu. Ich lief nach links und bog um die Ecke, doch auch aus der Richtung kamen mir ein paar Männer entgegen. Alle hatten grüne Gesichter. Gehetzt blickte ich mich um. In wenigen Sekunden würden mich Hekates Diener erreicht haben. Mein Blick fiel auf die Toilettentür.
Ich überquerte den Gang und riß die Tür auf, die in den Waschraum führte. Durch eine weitere Tür kam man in die Toilette. Ich blickte hinein. In etwa zweieinhalb Meter Höhe entdeckte ich ein kleines Fenster. Blitzschnell schloß ich die Tür und schob den Riegel vor. Da hörte ich auch schon die Schritte der Grüngesichtigen. An der Tür wurde gerüttelt.
„Eine Brechstange!" schrie eine Stimme.
Viel Zeit blieb mir nicht. Ich stieg auf die Klosettmuschel und kletterte auf den Spülkasten, der beängstigend knirschte. Dann griff ich mit beiden Händen nach dem Fenster, öffnete es und zog mich hoch. Dabei zerriß meine Jacke, doch darauf konnte ich jetzt nicht achten. Endlich hatte ich den Oberkörper durch das schmale Fenster bekommen. Ich ließ mich einfach nach vorn fallen und zog die Beine an.
Vor mir lag ein steil in die Tiefe führendes Dach. Ich sah die Dachrinne und knapp daneben einen Einlaufstutzen, der zu einem Regenrohr führte. Das war meine Chance. Ich mußte das Rohr erreichen.
Einen Augenblick schloß ich die Augen. Das Schreien hinter mir trieb mich an. Ich kroch auf das Dach. Einige Dachziegel lösten sich und flogen in die Tiefe. Ich wagte nicht, auf die Straße zu sehen. Vorsichtig rutschte ich tiefer. Mit den Händen hielt ich mich am Fensterrahmen fest, während ich mit den Füßen nach der Dachrinne tastete. Der Schweiß rann mir trotz der Kälte in Strömen über das Gesicht.
Schließlich hatte ich die Höhe des Rohrs erreicht. Ich drehte mich nach rechts, griff mit der rechten Hand nach dem Einlaufstutzen, ließ mich fallen und hielt mich am Stutzen fest. Für einige Sekunden schwebte ich frei in der Luft, dann umklammerte ich das Rohr, preßte meine Knie dagegen und rutschte nach unten.
Ich blickte auf die Straße und runzelte überrascht die Stirn, als ich im ersten Stockwerk angelangt war. Weit und breit war kein Auto zu sehen; auch keine Fußgänger sah ich. Das war völlig anormal. Immer rascher rutschte ich zu Boden. Zwei Meter über dem Boden hielt ich einen Augenblick inne, dann sprang ich. Einige von Hekates Dienern rannten aus dem Spital und verfolgten mich, während ich zum Rover lief. Ich war froh, daß ich ihn nicht abgesperrt hatte.
Ich riß die Tür auf, ließ mich hinter das Lenkrad fallen, startete und preschte los. Die Tür pendelte hin und her. Zwei grüngesichtige Männer versperrten mir den Weg, doch ich ließ mich nicht aufhalten. Ich trat stärker auf das Gaspedal, und im letzten Augenblick sprangen die Männer zur Seite.
Drei Wagen hatten die Verfolgung aufgenommen. Sie kamen rasch näher. Wieder fiel mir auf, daß sonst kein Verkehr herrschte. Die breite Bayswater Road war wie ausgestorben. Als ich bei Marble Arch in die Park Lane einbiegen wollte, versperrten mir ein halbes Dutzend Wagen, die einfach quer über die Straße standen, den Weg.
Ich hatte Hekate gründlich unterschätzt.
Wütend riß ich den Hörer des Autotelefons an mich und legte ihn auf meinen rechten Schenkel. Mit der linken Hand lenkte ich, während ich mit der rechten die Nummer der Jugendstilvilla wählte.
„Hör mir zu!" schrie ich, als sich Coco meldete. Ich hörte ihre Stimme nur ganz schwach. „Ich will den Hörer nicht ans Ohr halten. Kannst du mich verstehen, dann schrei so laut, du kannst!"
„Ich verstehe dich."
„Ich bin in eine Falle gelaufen", brüllte ich. „Alle im Spital waren Hekates Diener. Mir gelang die Flucht, doch Hekate läßt nicht locker. Im Augenblick fahre ich die Oxford Street entlang, alle Seitengassen sind mit Autos blockiert. Das hat sicherlich Hekate inszeniert. Sie will mich irgendwohin locken, das steht fest. Ich werde versuchen, in die Baker Street einzubiegen. Hoffentlich gelingt es mir."
Doch es gelang mir nicht. Auch die Baker Street war mit Wagen blockiert. Wütend fuhr ich weiter, bis auch die Oxford Street mit Autos verstellt war. Ich mußte nach links in die Harley Street einbiegen.
„Ich ahne, wohin mich Hekate haben will", schrie ich. „Ich fahre jetzt durch die Harley Street, am Cavendish Square vorbei. Vor dem Tempel der
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