096 - Der grüne Leichnam
läutete das Telefon. Ich hob den Hörer ab und meldete mich.
„Hier spricht McClusky, Hunter", meldete sich der Leiter des Marble Hill Hospitals. Seine Stimme klang erregt.
„Was gibt es, Doktor?" fragte ich ihn.
„Mansfield", sagte er leise. „Sein Zustand hat sich verschlechtert. Ich fürchte, daß er im Sterben liegt. Er verlangt nach Ihnen, Hunter. Es sei wichtig. Ich bat ihn, daß er es mir sagen sollte, doch er weigert sich. Er will es nur Ihnen sagen. Es geht um Hekate. Kommen Sie her?"
„Aber wie ist das möglich, Doktor?" fragte ich. „Mansfield war doch gestern ganz in Ordnung?"
„Ich kann es mir selbst nicht erklären, Hunter. Er ist verfallen. Wie soll ich es Ihnen am besten erklären. Er sieht wie eine Pflanze aus, die am Vertrocknen ist. Sein Zustand ist ernst. Ich fürchte, daß er die nächste Stunde nicht überleben wird."
„Ich komme", sagte ich, legte den Hörer auf und blickte auf die Uhr.
Es war zwei Minuten nach neun. Sollte ich Coco oder Abi wecken? Das würde nur Zeit kosten.
„Miß Pickford!" rief ich.
Die Alte trat ins Zimmer, während ich eine Pistole einsteckte, die mit Pyrophorkugeln geladen war. Die Wirkung dieser Kugeln war ähnlich der der Phosphorpatronen.
„Ich fahre zu Mansfield ins Spital, Miß Pickford", sagte ich und steckte die Pistole ein. „Wecken Sie Coco in einer halben Stunde auf! Sie soll mich im Spital anrufen."
„Sie wollen allein losfahren, Mr. Hunter?" fragte sie überrascht. „Ist das nicht ein Risiko?"
Pickford hatte verdammt recht. Es war ein Risiko, aber ich hatte keine Zeit zu verlieren. Vielleicht hatte mir Mansfield tatsächlich einen wichtigen Hinweis zu geben. Ich mußte das Risiko eingehen. Ich schnappte meine Jacke und lief zum Rover. Sekunden später raste ich die Baring Road entlang und wandte mich in Richtung Regent Park. Ich überquerte die Themse. Wie üblich war der Verkehr stark, und ich kam nur langsam vorwärts.
Vor dem Spital blieb ich in einer Parkverbotszone stehen, da ich mir nicht die Zeit nehmen wollte, den Portier herauszuholen, damit er mir das Tor öffnete. Geschwind rannte ich ins Hospital, winkte dem Portier zu und stieß fast mit einer Krankenschwester zusammen.
Ich lief zum Seitentrakt, in dem Mansfield lag. Keuchend hastete ich die Stufen hoch. Endlich hatte ich das dritte Stockwerk erreicht. Ich wandte mich nach links.
Bob Curnock stand auf. Ich hatte ihn zweimal im Tempel gesehen, aber nur wenige Worte mit ihm gesprochen.
„Hallo, Bob!" keuchte ich. „Ist wer bei Mansfield?"
„McClusky und zwei Schwestern", antwortete Curnock.
Ich ging an ihm vorbei, riß die Tür ins Krankenzimmer auf und trat ein.
Zwei Schwestern und der Arzt standen vor dem Krankenbett und zeigten mir den Rücken. Eilig trat ich näher heran, schob mich zwischen den Schwestern hindurch und warf einen Blick auf das Bett. Das Bettlaken war über den Körper gezogen.
„Sie kommen zu spät", sagte McClusky. „Mansfield ist vor wenigen Minuten gestorben."
Ich beugte mich über das Bett. Irgend etwas stimmte da nicht. Zögernd griff ich nach dem Laken. Und dann wußte ich, was mich störte. Nicht Mansfield lag unter dem Laken. Deutlich zeichneten sich unter dem dünnen Stoff weibliche Brüste ab.
Ich war in eine Falle gegangen.
Meine Hand krampfte sich zusammen. Rasch hob ich den linken Ellbogen und versetzte der Krankenschwester zu meiner Linken einen Hieb in den Bauch. Der zu meiner Rechten schlug ich die Faust ans Kinn, dann sprang ich einen Schritt zurück, schnappte ein fahrbares Tischchen und schleuderte es McClusky entgegen.
Ich hatte mich nicht getäuscht. Alle waren Hekates Opfer. Ihre grünlichen Gesichter sprachen für sich.
Das Bettlaken wurde zur Seite geschleudert. Mein Blick fiel auf Muriel Baine. Sie war nackt. Deutlich sah ich die spitzen Nadeln, die langsam aus ihren hohen Brüsten wuchsen. Die Schneerose in ihrem Nabel war größer geworden.
„Du entkommst mir nicht, Dorian", sagte Muriel, doch aus ihr sprach Hekate. „Alle, die sich im Spital aufhalten, sind meine Sklaven."
Die Schwestern standen auf, und Muriel sprang aus dem Bett. Bob Curnock stand breitbeinig in der Tür. Einen Moment lang wunderte ich mich, daß er keine grüne Haut hatte, dann hatte ich keine Zeit mehr, mich um so unwichtige Details zu kümmern. Ich mußte fliehen.
Ich riß die Pistole heraus, wehrte McClusky ab, der mich von hinten angesprungen hatte, und rannte auf Curnock zu, dem ich den Lauf über die Nase schlug. Er wankte
Weitere Kostenlose Bücher