096 - Der grüne Leichnam
nur einen Finger abhacken. Sie beseelte dieses Geschöpf und versuchte uns so zu täuschen. Ihre Behauptung, daß sie schwach und hilflos sei, ist doch ein Witz. Weshalb dann der Angriff der Bäume und ihrer Kreaturen? Weshalb, wenn sie meine Hilfe will? Hekate lebt, und sicherlich brütet sie eine neue Teufelei aus."
„Was glauben Sie, Coco?"
„Dorian dürfte recht haben. Hekate will, daß wir glauben, sie sei tot."
„Auf mich wirkte das alles recht echt", sagte Abi.
„Hekate hat uns zu töten versucht. Da gibt es keinen Zweifel. Sie versuchte es erst mit den Bäumen, doch da scheiterte sie. Dann lockte sie uns in das verfallene Haus, aber ihre Kreaturen konnten uns nichts anhaben. Daraufhin appellierte sie an meine Erinnerung. Und ich muß ehrlich sagen, einen Augenblick lang wurde ich schwach. Jetzt hat sie sich irgendwohin zurückgezogen und wird den nächsten Schachzug vorbereiten. Wir müssen sehr vorsichtig sein."
Müde stand ich auf. Ich wollte nur noch eines: schlafen.
Für Hekate war alles ein sehr aufschlußreicher Test gewesen. Sie hatte herausfinden wollen, wie stark der Ys-Spiegel den Dämonenkiller schützte. Sie hatte schwarze Magie angewandt, doch damit keinen Erfolg gehabt. Mit Magie konnte sie also nichts ausrichten. Der Spiegel verhinderte jeden direkten magischen Angriff. Die Attacke der Baumwurzeln hatte er fast spielerisch abgewehrt. Auch ihre Kreaturen waren ohne Chance gewesen. Sie hoffte, daß er glaubte, sie sei tot; doch wenn er daran zweifelte, dann störte es sie auch nicht sonderlich.
Hekate hatte schon mit dem Gedanken gespielt, Dorian Hunter einfach erschießen zu lassen. Doch damit hätte sie gegen den Ehrenkodex der Schwarzen Familie verstoßen.
Aber wenn es tatsächlich keine andere Möglichkeit geben sollte, würde sie trotz allem darauf zurückgreifen.
Sie hatte keinen Tag mehr Zeit, um ihn zu töten; und es mußte ihr gelingen, denn sonst war sie verloren.
Dorian Hunter mußte der Ys-Spiegel entrissen werden, dann war er ihr hilflos ausgeliefert, und sie konnte ihm das Leben aussaugen.
Ihr Gesicht verzerrte sich, und sie ballte die Hände zu Fäusten.
Hekate hatte sich in eine moderne Wohnung in der Weymouth Street zurückgezogen. Nochmals ging sie ihren Plan durch. Sie entdeckte keine schwache Stelle. Alle ihre Diener hatten genaue Anweisungen erhalten, nach denen sie sich richten würden. Es würde ein echtes Spektakel werden, dachte Hekate zufrieden. Diesmal gab es für Hunter keine Rettung mehr.
Sie stellte mit Henry Patrick, dem Mitglied der Magischen Bruderschaft, die Verbindung her. Seine Ablösung war schon auf dem Weg. Es war ein kahlköpfiger Mann namens Bob Curnock, der eben das Hospital betrat. Doch er kam nicht weit. Zwei Männer sprangen ihn an.
Hekate lächelte zufrieden. Das Spital war in ihrer Hand. Alle Ärzte, Schwestern und Patienten waren zu Alraunenträgern geworden.
Henry Patrick verließ das Hospital, stieg in seinen Wagen und fuhr zur Magischen Bruderschaft. Im Tempel hatten sich alle Londoner Mitglieder versammelte. Sie hofften, dort sicher zu sein, doch sie würden eine bittere Enttäuschung erleben.
Hekate hatte die Absicht, den Tempel in ihr Hauptquartier zu verwandeln.
Einige Stunden später war es soweit. Sie trat ins Nebenzimmer. Mansfields Verwandlung war abgeschlossen. Er konnte jetzt Samen weitergeben. Zusammen mit Henry Patrick, der sich bereits im Tempel befand, würde er die Mitglieder überwältigen - was keinerlei Schwierigkeiten bereiten sollte, da die meisten im Augenblick tief schliefen.
Mansfield erhielt von Hekate die nötigen Befehle, dann verließ er die Wohnung, trat auf die Straße und bog in die Harley Street ein. Kurz vor fünf Uhr morgens betrat er den Tempel. Mansfield wurde bereits von Henry Pattrick erwartet.
Eine halbe Stunde später hatten es die beiden geschafft. Alle Mitglieder der Bruderschaft waren Hekates willige Sklaven geworden.
Um neun Uhr würde Hekates Plan zur Ausführung kommen.
Tief und fest hatte ich vier Stunden geschlafen. Um acht Uhr war ich erwacht. Gegen halb neun war ich geräuschlos aufgestanden, hatte mich geduscht, rasiert und angezogen. Coco schlief noch immer.
In der Küche fand ich Martha Pickford, die schon auf war. Sie richtete mir ein Frühstück her. Flüchtig blätterte ich die Morgenzeitungen durch. Dann legte ich sie zur Seite und aß einen Teller Bohnen mit Würstchen, trank eine Kanne Kaffee und rauchte danach eine Zigarette.
Als ich ins Wohnzimmer ging,
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