096 - In Soho regiert der Tod
Spannung schon fast zuviel. »Bleib stehen, Mann, sonst müssen wir noch einmal abdrücken!« keuchte er, Aprea nicht aus den Augen lassend.
Keenan Apreas Atem rasselte. Ein dünner Blutfaden sickerte aus seinem Mundwinkel. Sein verzerrtes Gesicht wies kaum noch menschliche Züge auf.
Gordon Yates wich einen halben Schritt zurück. Nach wie vor hielt er seine Pistole mit beiden Händen. Auch für ihn wurde die Spannung langsam unerträglich.
»Hast du nicht gehört? Bleib stehen, verdammt!« zischte er.
Stumm näherte sich ihm der Killer. Als Aprea die Messerhand hob, gingen Burt McDiarmid die Nerven durch.
Wieder krachte seine Pistole. Eine unsichtbare Faust schien den Stecher zu packen und herumzureißen.
Diesmal blieb Aprea nicht auf den Beinen. Er stolperte und stürzte. Gordon Yates startete sofort.
Er rannte zu Aprea und setzte ihm die Waffe an. Dann entwand er ihm das Messer, mit dem Keenan Aprea so vielen Menschen das Leben genommen hatte.
Es war schwer und eiskalt, und es widerte Yates an. Er wollte es nicht in der Hand behalten, warf es auf den Boden, aber weit genug weg von Aprea.
McDiarmid trat mit vibrierenden Kniescheiben neben Yates. Dieser tastete nach Apreas Halsschlagader.
Der Stecher lag auf dem Rücken. Seine Lider flatterten, und seine Augen bekamen einen seltsamen Glanz.
»Es geht zu Ende mit ihm«, bemerkte Yates und steckte seine Pistole weg.
»Er ließ uns keine Wahl«, knirschte McDiarmid.
»Niemand wird uns einen Vorwurf machen«, sagte Yates und stand langsam auf. »London wird aufatmen. Man wird uns als Helden feiern.«
McDiarmid blickte auf seine Waffe. »Trotzdem hatte ich nicht die Absicht, ihn zu töten.«
»Ich auch nicht, aber vielleicht ist das die bessere Lösung, Burt. Stell dir vor, man hätte ihn zu lebenslanger Haft verdonnert, und ihm wäre nach einem Jahr die Flucht geglückt.«
Keenan Aprea drehte ganz langsam den Kopf zur Seite und starrte mit gebrochenen Augen dorthin, wo sein Messer lag.
Es war vorbei. Er hatte sein böses Leben ausgehaucht.
Yates begab sich zu Julie, die mittlerweile ihr Bewußtsein wiedererlangt hatte, und war ihr beim Aufstehen behilflich. »Bring ihre Schuhe!« bat er seinen Partner.
McDiarmid eilte zurück. Er hob die Schuhe auf und lief noch ein Stück weiter zurück, um den Gully zu schließen, damit niemand in den Schacht stürzte.
»Sind Sie verletzt?« fragte Yates das zitternde Mädchen.
»Nein«, antwortete Julie mit bebender Stimme. »Ich hatte mehr Glück als Verstand. Wenn Sie mir nicht zu Hilfe gekommen wären, wäre ich verloren gewesen. Als ich das zum Stoß erhobene Messer sah, dachte ich, es wäre aus.«
»Ich bin Gordon Yates. Mein Kollege heißt Burt McDiarmid. Wir sind Privatdetektive und versuchten schon seit geraumer Zeit, den Stecher von Soho unschädlich zu machen.«
»Nun haben Sie's geschafft«, sagte Julie und wischte sich die Tränen von den Wangen.
McDiarmid gab ihr die hochhackigen Pumps. »Danke«, sagte Julie leise. »Ich stehe tief in Ihrer Schuld. Wie kann ich mich erkenntlich zeigen?«
Yates winkte ab. »Ist nicht nötig. Wie Ihnen vielleicht bekannt ist, wurde auf den Stecher von Soho eine Prämie ausgesetzt. Wir kriegen 20.000 Pfund.«
»Die stehen Ihnen zu«, sagte Julie.
Die Schüsse waren natürlich gehört worden, aber in diesem Teil von Soho war so etwas keine Seltenheit, deshalb ließ sich auch so lange niemand blicken.
Aber irgend jemand mußte die Polizei angerufen haben, denn in diesem Moment traf der erste Streifenwagen ein.
***
Tagelang berichteten die Medien über den Fall. Endlich hatten sie mal wieder eine Sensation, die sie ausschlachten konnten. Burt McDiarmid und Gordon Yates wurden zu Helden hochgejubelt. Jedes Kind kannte ihre Namen, und ihre Detektei würde von nun an mit Aufträgen überhäuft werden.
Ich gönnte den beiden Privatdetektiven diesen Erfolg. Sie hatten geschafft, was der Polizei nicht gelungen war.
Männer wie sie waren Mangelware.
Obwohl ich gleichfalls Privatdetektiv war, kannte ich McDiarmid und Yates nicht, aber ich hoffte, sie kennenzulernen.
Eventuell dann, wenn der Rummel um sie etwas abgeflaut war. Im Moment hatten sie wohl keine Zeit für mich.
Obwohl ich die beiden nicht persönlich kannte, wußte ich so ziemlich alles über sie. Wann sie geboren wurden, wo sie aufwuchsen, was sie gemacht hatten, bevor sie sich zusammentaten und ihre Detektei gründeten…
Ich wußte sogar, wie es bei ihnen zu Hause aussah, denn Fernsehteams hatten
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