0960 - Aibons böse Diener
Jedenfalls fing er damit an, die ersten Planken von der Graböffnung zu räumen.
Suko und ich blieben nicht untätig und halfen ihm dabei. Die Bretter waren ziemlich schwer. Ich half Gordon Tarling, während Suko es allein schaffte.
Wir bauten sie neben dem Erdhügel auf. Es waren fünf insgesamt, die uns den Blick in die Tiefe verwehrt hatten.
Tarling atmete tief durch. Er war etwas zurückgetreten, um uns den Blick in die Gruft nicht zu verbauen. »Bitte«, sagte er, »Sie sind die ersten Fremden, denen ich zeige, war hier in der Tiefe des Grabs geschehen ist.«
Die Gruft war breit genug, um nebeneinander stehen zu können. Suko und ich senkten die Köpfe, aber erkennen konnten wir kaum etwas. Wir sahen auch nicht die Knochen und Reste der Mrs. Tarling, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte, wir sahen überhaupt nichts, abgesehen von einem leichten Glänzen auf dem Grund des Grabs.
»Was sagen Sie?«
»Nichts, Mr. Tarling. Die Sicht ist nicht gut. Sie gestatten, daß wir unsere Lampen zu Hilfe nehmen?«
»Bitte, tun Sie das.«
Die Stahlen unserer Lampen fanden den Weg in die Tiefe. Wir nahmen einen etwas bitteren Geruch wahr, der von unten her in unsere Nasen stieg. Beide Lichtkreise erreichten den Grund, vereinigten sich dort, und jetzt erst konnten wir erkennen, was den Mann so erschreckt hatte.
Den bitteren Geruch hatte ich schon zuvor wahrgenommen. Ich erinnerte mich wieder an ihn, als ich die grüne Masse sah, die den Boden der Gruft bedeckte.
Es gab keine Särge. Es waren keine Reste vorhanden, nur diese grüne Masse. Dick wie Blut oder wie zäher Sirup.
Sie schimmerte auf deren Oberfläche, und der gallenbittere Geruch erinnerte mich an vergiftete Pflanzenreste, die im Laufe der Jahre vor sich hingefault waren.
Dabei breitete sich die Masse über den gesamten Grabboden aus, und wir konnten nur den Kopf schütteln, aber wir wußten keine Lösung. Eine grüne, sirupartige Flüssigkeit, mehr war von den vier Toten nicht zurückgeblieben.
Auch uns hatte es die Sprache verschlagen, was Gordon Tarling nicht gefiel, denn er fragte: »Was sagen Sie dazu, meine Herren? Bitte, ich habe Ihnen jetzt alles gezeigt und erwarte einen Kommentar.«
Ich trat einen Schritt zurück. Er schaute mir ins Gesicht. Seine Augen waren kalt, aber ich las auch eine gewisse Verzweiflung in den Pupillen.
»Ich weiß es nicht, Mr. Tarling«, gab ich ehrlich zu und versuchte, noch einen Funken der Hoffnung zu produzieren. »Ich weiß es noch nicht.«
»Und Ihr Partner?«
»Sorry«, sagte Suko. »Ich stehe ebenfalls vor einem Rätsel.«
»Dann geht es Ihnen nicht anders als mir.« Er griff in die linke Außentasche und holte eine klein Flasche Whiskey hervor. »Wollen Sie einen Schluck?«
Wir lehnten dankend ab.
»Aber ich muß jetzt einen haben«, sagte er leise, schüttelte den Kopf, trank zweimal, und als er die Flasche absetzte, sahen wir die Tränen an seinen zerfurchten Wangen hinabrinnen. »Vier Söhne, auf die ich stolz war«, flüsterte er rauh. »Und das ist davon übriggeblieben. Eine grüne, stinkende, ölige Masse. Nein, meine Herren, das kann ich nicht begreifen. Das kann ich auch nicht erklären. Das ist für einen Menschen nicht zumutbar, verstehen Sie?«
»Sehr gut sogar«, sagte ich.
Der gebeugt dastehende Mann hob hilflos die Schultern. Einige Male wischte er mit dem Handrücken über seine Augen. »Daß ich allein bin, ist nicht mal das schlimmste, daran kann man sich gewöhnen, aber nicht zu wissen, was mit meinen Söhnen geschehen ist, frißt mich auf. Ich habe das Gefühl, in meinem Innern eine Säure zu spüren, die dabei ist, meine Seele zu zersetzen. Stück für Stück, und ich bin nicht in der Lage, mich dagegen zu wehren. Es ist schon grauen-und rätselhaft. Ich weiß mir keinen Rat mehr. Aber Sie beide sind ja angeblich so schlau. Tun Sie was!«
»Das ist natürlich leicht gesagt«, sprach Suko. »Wir wissen einfach noch nicht genug über ihre Söhne.«
Tarling erstarrte. Plötzlich stimmte die Chemie zwischen uns und ihm nicht mehr. »Wollen Sie jetzt auf alte Geschichten zurückkommen und mir vorwerfen, daß die vier der IRA gedient haben?«
»Nein, das nicht«, erwiderte Suko. »Damit haben wir nichts zu tun. Aber ich denke, daß wir schon in der Vergangenheit ein wenig herumwühlen müssen.«
»Ich weiß nicht viel.«
»Das glauben wir Ihnen, aber erzählen Sie uns noch einmal, wie es war, als man die Leichen fand.«
»Nicht man, Inspektor. Ich habe Sie
Weitere Kostenlose Bücher