0960 - Aibons böse Diener
Mr. Sinclair?«
»Eine kleine Reise unternehmen. Und zwar möchten wir dort hinfahren, wo Sie Ihre toten Söhne gefunden haben. Wir werden uns die Hütte und deren Umgebung anschauen.«
»Da gibt es nichts mehr zu sehen.«
Ich hob die Schultern. »Vielleicht doch. Aber Sie brauchen nicht mitzufahren. Wenn Sie uns den Weg beschreiben würden, wäre uns damit schon geholfen.«
Tarling hob sie Schultern. »Ich weiß ja nicht, welchen Sinn es haben soll, aber meinetwegen. Der Ort ist nicht leicht zu finden, ich muß Ihnen den Weg schon aufzeichnen.«
»Tun Sie das.« Einen kleinen Block trug ich bei mir. Auch einen Schreiber.
Der Mann nahm beides in die rechte Hand und ging auf die Mauer der Kapelle zu. Er benutzte sie als Unterlage, um uns den Weg aufzuschreiben. Wir blieben nicht untätig und legten die Bretter wieder zurück auf die Graböffnung.
Suko flüsterte mir dabei zu, daß dieser Tarling keine große Hilfe sei.
»Viel zu stur, John.«
»Sei nachsichtig. Dieser Mann hat in einer Nacht vier Söhne verloren. Das war ein harter Schlag. Außerdem ist er durch uns noch mit Dingen konfrontiert worden, die er ablehnt.« Ich rückte ein Brett mit dem Fuß zurecht. »Druiden, deren Zauber - er hat nicht daran geglaubt.«
»Was ist denn mit dir?«
Ich lächelte und hob das letzte Brett an. »Ich gehe sogar noch ein Stück weiter.«
»Aha.« Suko faßte das andere Ende an und half mir, das Brett auf die offene Grube zu legen. »Wie weit denn?«
»Das weißt du genau!«
»Sag es mir trotzdem.«
»Aibon!«
Mit einem lauten Geräusch prallte das Brett auf, als sollte es meine Vermutung bestätigen. »Ja, Aibon, John. Das Paradies der Druiden. Das zweigeteilte Land. Das Fegefeuer, wie auch immer. Okay, ich gebe dir recht. Dann hat Aibon die vier Männer geholt.«
»Jein.«
Suko richtete sich auf und klopfte seine Handflächen sauber. »Zweifelst du noch?«
»Ich denke nicht nur an das gesamte Land, sondern eher an einen gewissen Druidenfürsten.«
»Guywano?«
»Ja.«
Suko hob die Augenbrauen. »Wenn das so ist, dann müssen ihm die vier Männer in die Quere gekommen sein.«
»Ist alles möglich. Vielleicht hat er sie auch bewußt ausgesucht. Wir wissen zuwenig, aber ich hoffe darauf, daß wir einen Hinweis finden, wenn wir die Hütte und die Umgebung absuchen.«
»So«, sagte Gordon Tarling und kam auf uns zu. »Ich habe es Ihnen so gut wie möglich aufgezeichnet. Für einen Fremden ist es nicht leicht, die Hütte zu finden, aber Sie werden es schon schaffen, denn wichtig ist der Bach.«
Beide schauten wir uns die Zeichnung an. Sie war etwas krumm geworden, denn eine Kirchenmauer ist nicht eben eine glatte Unterlage. Wir hörten dem Mann zu, der noch versuchte, uns Details zu erklären. Dann nahm ich den Zettel an mich und steckte ihn weg.
»Wann wollen Sie denn los?«
»Wir setzen Sie in Beragh ab und fahren.«
»Mit dieser Frau?«
»Nein, Miß Collins möchte bei ihrer Freundin bleiben. Wir werden sie nach unserer Rückkehr informieren.«
Tarling nickte. Dann trat er näher an uns heran. »Mich würde schon interessieren, wer diese Frau ist.«
»Sie arbeitet hin und wieder mit uns zusammen«, sagte ich.
»Dann ist sie eine Polizistin?«
»Das nicht, eine Detektivin.«
Er wollte es nicht glauben. »Die gibt es in Wirklichkeit auch?«
»Ja, warum nicht?«
»Ich dachte, die wären nur im Fernsehen.«
»Nein, es gibt sie auch in Wirklichkeit.«
Gordon Tarling hob die Schultern. »Nun ja, da muß ich wohl umdenken, aber das will ich in meinem Alter nicht mehr. Es ist auch nicht nötig, denke ich.«
»Da haben Sie recht«, bestätigte ich.
Er schaute auf die Uhr. »Es ist Mittag vorbei. Ich werde mich ein wenig hinlegen. Die Nachbarin, die mein Haus putzt, wird auch verschwunden sein, dann habe ich meine Ruhe. Und Ihnen beiden kann ich nur viel Glück wünschen.«
»Wir werden sehen«, sagte Suko.
Gordon Tarling warf noch einen letzten Blick auf die Gruft. Er preßte seine Lippen hart zusammen, um die Gefühle nicht zeigen zu müssen.
Wir sahen, wie die Haut an seinem Hals zuckte. Er stand unter Strom, er war erregt und würde es auch so lange bleiben, bis er wußte, was mit seinen Söhnen geschehen war.
Dieses Rätsel würde auch uns noch einige Zeit beschäftigen. Der Friedhof war in der Zwischenzeit von keinem anderen Menschen besucht worden. Er kam mir noch immer so leer und verlassen vor. Die weißgrauen Grabsteine wirkten wie Mahnmale. Der Wind wehte über ihn und uns hinweg. Er
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