0960 - Das UFO-Serum
hundert Kilometer an einem Tag zurücklegen konnten. So weit waren die Berge aber gar nicht entfernt. Wenn alles gutging, sollten sie noch vor Sonnenuntergang einen der zahlreichen Pässe erreicht haben, und sobald sie sahen, daß es auf der anderen Seite vielleicht doch keine Siedlung mit Raumhafen gab, konnten sie mühelos noch vor dem Morgengrauen wieder an dieser Stelle stehen.
Die Gewißheit, daß sie schlimmstenfalls einen etwas strapaziösen Ausflug ohne direkten Nutzeffekt vor sich hatten, gab den Ausschlag.
„Warte auf mich!" rief Kert Davort und stieß sich kraftvoll ab, um eine breite Dornenhecke zu überspringen.
„Beeile dich", hörte er Leevinas Stimme.
Innerhalb kürzester Zeit hatte er sie eingeholt.
„Na?" sagte sie spöttisch. „Ist das alles nun wirklich so schlimm?"
Sie standen unter den breiten Blattwedeln eines Baumfarns, und vor ihnen lag ein geradezu unwirklich anmutender Wald. In jeweils mindestens fünf Metern Abstand voneinander ragten die faserigen, dunkelbraunen Stämme der Farne auf, und ihre Wedel bildeten ein dichtes Dach aus unzähligen Trichtern. Das Licht wurde grünlich durch die vielen Blätter, und nirgends drang ein Sonnenstrahl hindurch. Der Raum zwischen den Farnstämmen war frei. Es gab kein Unterholz, keine Blumen, nicht einmal ein Grasbüschel. Nur dicke, weiche Moospolster bedeckten den Boden, und aus ihnen heraus wuchsen unübersehbare Mengen von kleinen, intensiv gelben Pilzen.
„Ich sehe keine Tiere", flüsterte Kert dem dieser Wald unheimlich erschien.
„Vielleicht gibt es hier gar keine", sagte Leevina vergnügt.
„Aber von der Station aus ..."
„Wie oft soll ich dir noch sagen, daß diese Kerle uns angelogen und betrogen haben?" schnitt sie ihm das Wort ab. „Wahrscheinlich haben sie das ganze Ungeziefer selbst gezüchtet und um die Station herum freigelassen, damit wir glauben sollten, der Dschungel sei wirklich gefährlich."
Kert fand diese Behauptung übertrieben. Er sagte sich, daß Alurus wenn er die Kinder wirklich so nachdrücklich an einer Flucht hindern wollte - es sich hätte leichter machen können. Es hätte doch gereicht, sie alle einzusperren oder wenigstens die Schleusen so zu sichern, daß nur die Androiden sie öffnen konnten.
Aber er sagte nichts, denn er wußte, daß Leevina seine Argumente doch nur zerpflücken und ihn anschließend verhöhnen würde. Er legte nur verstohlen die rechte Hand auf den Griff der Waffe und nahm sich vor, zu schießen, sobald er eine verdächtige Bewegung sah.
„Los, du Hasenfuß!" befahl das Mädchen.
Er setzte sich gehorsam in Bewegung, sorgte aber wenigstens dafür, daß er, der die Waffe trug und auch bedienen konnte, hinter Leevina blieb. Auch als sie nach etwa zehn Minuten noch immer durch diesen eigenartig stillen Wald liefen, ließ Kert sich nicht von dieser einfachsten aller Vorsichtsmaßregeln abbringen. Allerdings wurde auch er allmählich zuversichtlicher. Nur ein Punkt bereitete ihm noch Kopfzerbrechen.
„Was mag da vorhin so geschrien haben?" rief er zu Leevina hinüber. „Ich habe ganz deutlich gehört, daß die Laute aus dem Dschungel kamen. Die Tiere können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben!"
„Das brauchten sie auch nicht", behauptete das Mädchen selbstsicher. „Diese Tiere gibt es nicht. Es gibt nur ihre Stimmen, und die kommen aus Lautsprechern, die irgendwo am Waldrand versteckt sind."
Und Kert, der kaum noch wußte, was er eigentlich glauben sollte, ließ sich von diesen Argumenten einfangen. Seine Sprünge wurden weiter, seine Bewegungen unbeschwerter. Manchmal sprang er sogar übermütig fast bis in die Wipfel der Baumfarne hinauf, um sich selbst zu beweisen, wie stark und geschickt er war.
Wie hätte er auch ahnen sollen, daß die Tiere sehr wohl existierten und sich nur duckten und tarnten, sobald jemand aus der Station ins Freie trat? Die Androiden mit ihren schweren Strahlwaffen hatten den Bestien Respekt beigebracht. Aber schon wenige Kilometer weiter begann das wilde Land von Statischon, der weglose Dschungel, in dem nicht nur die Tiere, sondern auch die Pflanzen Jagd auf alles machten, was warm und lebendig war.
*
Zur selben Zeit meldete sich bei Alurus ein Androide, der überaus unglücklich wirkte, soweit dies bei einem dieser starrgesichtigen Wesen feststellbar war.
„Was willst du?" fragte Alurus grob.
„Ich muß dir etwas erklären", begann der Androide, und dann haspelte er eilig die Geschichte von den beiden Kindern herunter,
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