0960 - In den Nebeln
übertraf, die er sich je hatte vorstellen können, belehrte ihn eines Besseren. Es fühlte sich an, als würde sich ein Diamantbohrer von innen durch sein Gehirn fressen. Der Druck wurde unerträglich und erreichte dann ein noch höheres Level, bis das Schicksal schließlich ein Einsehen hatte und Ruk mit einem letzten Stoß von seinen Qualen erlöste.
Ranken brachen aus seinen Augenhöhlen heraus, schleuderten die Augäpfel, in denen sich ewiges Entsetzen abzeichnete, mehrere Meter davon und glitten durch die schleimige, dunkle Masse, die mittlerweile eine großflächige Lache auf dem Boden gebildet hatte. Dämonenblut. Ruks Blut.
Ruk, der Dämon, bäumte sich ein letztes Mal in stummem Schmerz auf und brach dann endlich tot zusammen, doch die Pflanzen wucherten weiter über seinen leblosen, geschundenen Körper, bis sie ihn vollständig bedeckt hatten.
Schließlich war seine ursprüngliche Form kaum noch zu erkennen.
***
Château Montagne
Zamorra, der Meister des Übersinnlichen, saß in seiner Bibliothek und sah die Informationen durch, die er in Kolumbien gesammelt hatte. Die ganze Sache mit diesem öligen See war nach wie vor reichlich mysteriös, und er wollte versuchen, mehr darüber herauszufinden.
Doch er starrte nun schon recht lange auf seine Aufzeichnungen, ohne dass seine Grübeleien ihn weitergebracht hatten. Was sich hinter dem Ölsee verbarg, konnte er nur raten. Auch das verschwundene London war noch nicht wieder aufgetaucht. Die Nachrichten waren voll davon, die Finanzmärkte zusammengebrochen, die Börsen spielten verrückt. Zamorra war erleichtert, dass sein Vermögen unter anderem in Sachwerten angelegt war. Er fragte sich, ob Hogarth und Nele Großkreutz mit ihren Nachforschungen schon weitergekommen waren. Ein verschwundenes London, der riesenhafte Baum war so massiv, dass er keine Lösung hatte, wie man das angehen konnte. Es schien wirklich, als müssten Nele und Hogarth auf die Suche nach dem Apfel der Erkenntnis gehen. Dem echten Apfel. Doch wie konnte er da helfen? Denn auch der Ölsee breitete sich aus.
Es wäre schön, wenn ich einfach hingehen und mein Amulett bitten könnte, ein paar Blitze zu verschießen und dann wäre die Sache erledigt. Doch so einfach ist das nicht. Ich kann ja kaum einen Dämon damit umbringen. Nicht einmal den See hat das beeindruckt.
Wie kann ich dann auch nur in Erwägung ziehen, London mit dem Amulett zu befreien? Ich käme nicht einmal über die Randgebiete hinaus in die Stadt hinein. Wahrscheinlich wäre ich längst eine Pflanze, bis ich bei der Tate Gallery wäre, Neles Apfelkerne hin oder her.
Vielleicht war es das Beste, erst mal eine Pause einzulegen.
Vielleicht sollte ich eine Kleinigkeit essen , dachte er. Vor seinem inneren Auge erschien ein Sandwich. Eines mit Schinken und Ei, das appetitlich mit Petersilie und Remoulade garniert war. Als er gerade nach seinem Butler William rufen wollte, um seinen Wunsch an Madame Claire, die rundliche Köchin weiterleiten zu lassen, drang ihm ein penetranter Geruch in die Nase. Verfaulte Eier? Das Sandwich verpuffte ins Nichts.
Einen Moment später erschien jemand, den Zamorra hier am allerwenigsten erwartet hätte, und brachte eine stinkende Schwefelwolke mit sich. »Asmodis! Welch hoher Besuch. Wie hast du es geschafft, mal wieder den Schutzschirm zu durchdringen?«, rief er, bemühte sich aber, nicht allzu überrascht zu wirken, um sich vor dem Dämon keine Blöße zu geben. Es war ja nicht das erste Mal, das Asmodis das geschafft hatte.
»Auf äußerst unangenehme Weise«, murrte Asmodis. Er hatte wieder einmal die von ihm bevorzugte menschliche Gestalt angenommen: ein dunkler, gut aussehender Mann in einem legeren, maßgeschneiderten Anzug. »Du solltest dir wirklich mal überlegen, diese dämliche M-Abwehr abzuschaffen, die hat auf spontane Besucher nämlich eine ziemlich abschreckende Wirkung.«
»Das ist der Sinn der Sache. Und wenn sie meinen Wünschen entsprechend funktionieren würde, wäre mir jetzt nicht der Appetit auf Eier vergangen.«
»Wovon zum Henker redest du?«
»Von dem Sandwich, das ich mir gerade bringen lassen wollte, aber da du hier alles zugeschwefelt hast, werde ich mir jetzt wohl eine Alternative überlegen müssen.« Zamorra sah, dass Asmodis immer noch verwirrt war und beschloss, keine Zeit mehr mit Geplänkel zu verschwenden. Je schneller er den Erzdämon wieder loswurde, desto besser. »Also, was willst du hier? Verfolgst du mich seit deiner Rückkehr aus Avalon
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