0961 - Nähre deine Wut!
hoffe, Sie werden sich bei der nächsten Beförderungsrunde daran erinnern, dass das mein Verdienst ist! Ganz so hatte die Heilige Claire, wie McPherson den Abteilungsleiter wegen dessen Nachnamen im Geheimen nannte, das sicher nicht ausgedrückt. Aber bestimmt war er den Bossen so tief in den Arsch gekrochen, dass er dafür eine Grubenlampe gebraucht hatte.
Glenn kramte in seinem Rucksack nach einer Wasserflasche und genehmigte sich einen herzhaften Schluck. Dass es sich bei der durchsichtigen Flüssigkeit gar nicht um Wasser handelte, brauchte ja niemand zu wissen.
»Na? Hältst du noch durch?« Er steckte die Flasche in den Tornister zurück, als die Stimme von Gloria Nolan neben ihm erklang.
Er schenkte ihr ein breites Grinsen. »Aber sicher! Was denkst du denn? Mein vollständiger Name lautet Glenn Durchhaltevermögen McPherson.«
Gloria lächelte ihn an, und die Grübchen in ihren Wangen ließen ihn die schmerzenden Füße vergessen. Sie war der eigentliche Grund, dass er überhaupt mitgekommen war und nicht im letzten Augenblick noch eine Krankheit vorgetäuscht hatte. Sie war Ende zwanzig und sämtliche Superlative der Welt reichten nicht aus, diese wahnsinnig tolle Frau zu beschreiben. Ihre Figur raubte einem Mann die Besinnung, ihr Gesicht schien der Fantasie eines genialen Malers oder Bildhauers entsprungen zu sein und ihre samtige, weiche Stimme ließ einen einfach dahinschmelzen. Und zu allem Überfluss war sie auch noch verdammt nett!
Kein Wunder also, dass sich Glenn sofort in sie verschossen hatte. Das Beste daran aber war, dass er ihr offenbar auch nicht gleichgültig war. Ihre Blicke, ihr Lächeln, ihr Interesse an ihm waren dafür Beweis genug. Dass sie im Augenblick noch mit Scott Soderburgh, diesem käsegesichtigen, unscheinbaren Weichling, liiert war, änderte daran nichts. In diesem Moment tauchte ihr zukünftiger Ex-Freund auch schon neben ihr auf und legte den Arm um ihre Schulter.
Wenn man vom Teufel spricht…
Scott war der Vierte im Bunde, das letzte Mitglied der legendären Abteilung 3B/Inverness Süd, die in die Geschichte von InvernEstates eingehen würde als die Abteilung, die völlig sinnlos den Loch Cluanie umwandert hatte.
Glenn hätte kotzen können.
Seine Stimmung hellte sich jedoch sofort wieder auf, als er die Eifersucht in Soderburghs Stimme hörte. »Schluss mit der Pause! Lasst uns weitergehen. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«
Das konnte man so sagen. Sie waren mit dem Wagen bis zum Westende von Loch Cluanie gefahren und dann die zehn Kilometer am Nordufer entlanggestapft. Größtenteils hatten sie die A87 benutzt, was den Marsch erheblich erleichterte. Der Rückweg hingegen würde sie am Südufer entlangführen. Und wie schon auf dem Hinweg wichen sie sicherlich häufiger von der normalen Wanderroute ab, um jedes noch so mickrige Dorf anzusteuern, das im Umkreis lag. Die meisten davon waren so unbedeutend, dass es monatelang nicht auffiele, wenn sie plötzlich vom Erdboden verschwänden.
Glenn holte eine Flasche mit echtem Wasser aus dem Rucksack und spülte den Alkoholgeschmack und -geruch hinunter.
Zwei Minuten später machten sie sich wieder auf den Weg. Ridley »Die Heilige Claire« Sinclair langweilte sie mit allerhand Wissenswertem über den Loch Cluanie, den Damm, die Gegend und das Universum an sich. Er hörte sich einfach zu gerne reden, als dass er nur deshalb damit aufhören würde, weil er seinen Atem für die Wanderung benötigte. »Ihr wusstet sicher, dass man den See im Rahmen des Glenmoriston Hydroelectric Projects aufgestaut hatte, um seine Wasserkraft zur Stromerzeugung zu nutzen. In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts war die Bevölkerung von Fort Augustus…«
Toll, wenn der Typ so weiterschwafelte, würden Glenn bald nicht nur die Füße bluten, sondern auch noch das Hirn. Er stellte auf Durchzug.
Sie waren noch nicht einmal einen Kilometer gelaufen, da brach ihm auch schon wieder der Schweiß aus. Die Erholung der Pause war vollständig verpufft. Die Füße fühlten sich an, als seien sie bis auf die Knochen abgerieben. Verfluchter Betriebsausflug. Verfluchte Heilige Claire.
Plötzlich streifte ihn ein eisiger Hauch. Obwohl er sich vorkam, wie ein Heizkraftwerk und bei der Energieerzeugung eine ernsthafte Konkurrenz für den Loch Cluanie darstellen könnte, überlief ihn ein unangenehmes Frösteln. Er verharrte.
Auch die anderen blieben wie angewurzelt stehen.
»Habt ihr das gespürt?«, fragte Scott Soderburgh.
Glenn
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