0968 - Ritter, Blut und Teufel
bestand aus Bohlen, über die sie nicht leise gehen konnte. Sie wurde gehört. Wer immer in der Nähe lauerte, würde sie hören und auch sehen können.
Dann sah sie den Vorhang. Er sah aus wie ein Schatten, der sich an der Wand festgekrallt zu haben schien. Schräg und gerafft hing er von oben nach unten. Er war in Falten gelegt, die sich nicht bewegten, da kein Windzug herrschte.
Stille.
Sie drückte auf Janes Gemüt. Über die Kordel blickte sie hinweg auf eine leere Stelle. Dort aber hatte der Ritter gestanden, auf dessen Konto fünf Morde kamen.
Schniefend holte sie Luft. Der Staub reizte zum Niesen. Aber auch ihre Neugierde war gestiegen. Jane überkletterte die Absperrung und schlich mit kleinen Schritten auf den Fleck zu, wo der unheimliche Ritter gestanden hatte.
Jetzt nicht mehr, und es malte sich auch kein Abdruck am Boden ab. Jane bewegte ihren Arm nach rechts, wo der Vorhang hing. Sie umfaßte ihn und drückte ihn zur Seite.
Es war ein optischer Irrtum gewesen. Er hing nicht direkt an der Wand, sondern zwischen ihm und dem Gestein befand sich noch eine große Lücke, in die Jane sich hineinschieben konnte. So etwas wie ein Gang tat sich vor ihr auf, der allerdings in einer tiefen Finsternis versteckt lag.
Bisher hatte sie keinen fremden Laut gehört. Das änderte sich nun, als sie das Kratzen vernahm.
Vor ihr, in der Dunkelheit!
Wer war es?
Ein Tier?
Vielleicht eine Ratte? Eine Maus?
Der Luftzug strich wie mit Geisterfingern durch ihr Gesicht, Jane glaubte, daß eine Tür geöffnet worden war, aber auch hier irrte sie sich, denn der Vorhang hatte sich bewegt. Sie blickte nach rechts und gleichzeitig in die Höhe.
Genau in diesem Moment fiel er wie ein schwerer Schatten nach unten, prallte auf sie, riß sie sogar um und begrub Jane Collins unter sich wie die Trümmer eines Hauses…
***
Ich war wieder nach oben gegangen, denn das Revier des Killers zog sich schließlich über beide Etagen hin. Um das Loch im Boden hatte ich einen großen Bogen geschlagen und hütete mich sogar, in dessen Nähe zu gelangen. Deshalb schaute ich aus einer gewissen Entfernung und in einem schrägen Winkel nach unten.
Hier oben rührte sich nichts. Eine absolute Stille umgab mich.
Aber von unten hörte ich Jane Collins über den Boden gehen. Es waren nur sehr leise Echos, wenn sie ihre Füße aufsetzte, aber ich hörte sehr gut, daß sich dort jemand bewegte, und ich war auch froh darüber, daß sie noch ging.
Wie war der Ritter zu besiegen?
Mit einer Kugel nicht, auch nicht mit meinem Kreuz. Dafür mußte es andere Waffen geben, und die hingen an der Wand.
Schwerter. Lanzen. Hellebarden. Morgensterne. Ich hatte die Auswahl.
Nachdenklich blieb ich vor dieser Sammlung stehen. Mit einem Schwert konnte ich umgehen. Nicht zum erstenmal kämpfte ich mit einer derartigen Waffe.
Und die Lanze?
Auch nicht schlecht. Ich schwankte zwischen Schwert und Lanze.
Mit der Lanze brauchte ich nicht zu dicht an den Ritter heran, wenn ich ihm den Helm vom Kopf stieß. Möglicherweise konnte ich damit das Kettenhemd zerstören und die Lanze in den Körper rammen.
Die Lanzen waren an den Wänden verhakt, allerdings nicht durch Schlösser gesichert, so daß ich sie aus den Halterungen hervorziehen konnte.
Zwei dieser Waffen nahm ich weg. Eine längere und eine kürzere.
Ich wollte herausfinden, welche besser in der Hand lag, mit welcher ich mehr Wirkung erzielte.
Ich entschied mich für die kürzere. Sie kippte nicht so leicht nach unten weg. Die größere Lanze stellte ich gegen die Wand. Wie ein Spaziergänger seinen Stock hielt ich die Waffe fest, die mit dem stumpfen Ende den Boden berührte. Die breite, dunkle Spitze befand sich in Kinnhöhe. Sie war nicht mehr so glatt, hatte im Lauf der Zeit Rost angesetzt, aber brüchig war sie deshalb noch lange nicht.
Die Lanze bescherte mir noch einen weiteren Vorteil. Ich benutzte sie als Stütze oder Gehhilfe. So konnte ich meinen rechten Fuß ruhig etwas stärker belasten.
Die Auswahl der richtigen Waffe hatte einige Zeit in Anspruch genommen. Ich näherte mich wieder dem Loch und trat diesmal bewußt sehr dicht heran und schaute in die Tiefe.
Von Jane sah ich nichts.
Ich hörte sie auch nicht.
Und das bereitete mir schon Sorgen. Nichts zu hören. Bedrückende Stille, die…
Etwas riß mich aus meinen Gedanken. Der dumpfe Klang eines Aufpralls. Ich glaubte auch, einen leisen Schrei gehört zu haben. Als er verwehte, mischte sich ein leises Klirren darin, als wären
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