0969 - Die magischen Welten des Duncan W.
animierten Welt bewegte. In seiner Erinnerung hatten sie sich gut zwei Dutzend Mal gegenseitig verführt; diese gefälschten Erinnerungen kamen ihm wie Verrat an seiner Nici vor, vor allem, weil sie so angenehme Gefühle in ihm weckten. Er kannte Patricias Eltern und alle Angestellten des Castles, er kannte sich auch leidlich gut darin aus und wusste zumindest bei den für ihn wichtigen Personen um das Bekannten- und Beziehungsgeflecht, in dem sie lebten.
Dieses so rasch zugeflossene Wissen machte ihm ebenfalls zu schaffen. Denn laut Jeremys Aussagen musste man sich das dringend nötige Grundwissen auf jedem Level erst erwerben und sich so Stück für Stück in die neue Welt hineinfinden. Zudem schien er in einer Einstiegsszenerie gelandet zu sein, die nicht die von Jeremy Dupont gewesen war, denn der hatte etwas von einem Kral in Afrika erzählt, der von riesigen schwarzen Spinnen angegriffen worden war. Es schien also mehrere dieser Einstiegsszenarien zu geben. Ob es Zufall war, in welcher man landete?
Zamorra tastete unwillkürlich nach seiner Brust. Er fühlte Merlins Stern unter seinem roten Hemd. Auch seinen weißen Anzug trug er nach wie vor. Hatte Jeremy nicht erzählt, man könne außer den Kleidern nichts mit in die Welten von Lost Soul nehmen? Na gut, dann schauen wir einfach mal…
Das tat er im wahrsten Sinne des Wortes. Der Meister des Übersinnlichen schaute nämlich weiter den Arbeitern zu. Er wusste, dass gleich etwas Wichtiges passieren würde.
Warum weiß ich das? Jeremy sagte doch, dass ein Reiz des Spiels darin liegt, ständig überrascht zu werden, im Bösen wie im Guten. Das verschärft ja auch den Schwierigkeitsgrad der zu lösenden Aufgaben. Bei mir scheint doch einiges anders als bei Jeremy zu sein…!
Routiniert betätigte der Baggerfahrer die Hebel seines Gefährts. Mit einem gekonnten Schaufelschlag zertrümmerte er die Mauer, die vor ihm aufragte, während seine Kollegen an anderer Stelle Mauertrümmer auf einen Lastwagen luden.
Plötzlich wurden die Augen des Baggerfahrers groß, seine Kinnlade fiel herunter. Zamorra konnte es durch die Glaskabine deutlich sehen. Einen Moment lang starrte der Mann entsetzt in die Trümmer vor sich. Dann beugte er sich aus dem Fenster. »Joe, komm her, aber sofort!«, schrie er mit fast kreischender Stimme.
Joe, der Vorarbeiter, kam umgehend angelaufen. Der panische Unterton des Rufs machte ihm Beine. Andere Arbeiter schlossen sich an.
»Und? Was ist los, Will« fragte Joe ein wenig außer Atem, als er neben dem Bagger stand. Er schaute dabei kurz zu Zamorra hoch. Der Baggerfahrer deutete stumm auf das neu entstandene Trümmerfeld.
»Ach du Sch…«, entfuhr es Joe, der nicht weniger entsetzt dreinsah als Will. »Rührt mir hier bloß nichts an, ich informiere sofort die Herrschaften.« Eiligen Schritts ging er zum Haupteingang des Schlosses hinüber. Mitten im Innenhof blieb er stehen und winkte zu Zamorra herauf. »Sir, wären Sie so nett, Sir Henry zu bitten, in den Hof zu kommen? Wir haben da… etwas Schreckliches gefunden.«
Zamorra nickte. Was dort unten lag, konnte er leider nicht erkennen, also floss ihm nicht alles an Wissen zu. Er sah, dass ein paar der Arbeiter verstohlen das Kreuzzeichen schlugen. Und der Baggerfahrer schien sogar ein kurzes Gebet zu murmeln, denn er hatte dabei die Hände gefaltet und sah gen Himmel.
Der Professor drehte sich und ging ins Schloss. Er traf Sir Henry Coringham im Treibhaus bei seinen Orchideen an, wo sich der alte Mann um diese Zeit meistens aufhielt. Zehn Minuten später waren die Bewohner von Coringham um die Fundstelle versammelt. Patricia, einzige Tochter von Sir Henry und Lady Mabel Coringham, war wieder mal am nächsten dran.
»Weiß jemand, wer das ist?«, fragte sie. Die vierundzwanzigjährige Schlosserbin, die so hübsch war, dass sie auf die Titelblätter diverser Modezeitschriften gepasst hätte, fühlte Schauder am ganzen Körper, obwohl es Hochsommer war und die Sonne heiß vom Himmel brannte. Zamorra hatte die Arme um sie gelegt und drückte sie fest an sich.
Es widerstrebte ihm zwar, aber das erwartete man schließlich von einem Verlobten, der seine Braut fast noch mehr als sein Leben liebte.
»Keine Ahnung«, beantwortete Sir Henry von Coringham die Frage seiner Tochter. »Man kann ja auch kaum etwas erkennen. Ich weiß nur, dass dieses… dieses Etwas mich von meinen Orchideen weggeholt hat, was ich überhaupt nicht schätze. Um ehrlich zu sein, ich hasse es
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