097 - Leichenvögel
krallenbewehrten Beine zuckten, dann war alles vorbei.
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Vorbei
war es auch für Ensebeth Mal-lory.
Sie
hatte mit zu hohem Einsatz gespielt – und verloren.
Ihre
Prophezeiung, daß Rha-Ta-N’my niemand entrinnen ließe, erfüllte sich für sie.
Sie
hatte Jugend und ewige Schönheit gesucht, aber sie erntete Alter und Tod.
Die
Energien, die sie bei der Beschwörung der finsteren Mächte eingesetzt hatte,
forderten ihren Tribut.
Ensebeth
Mallory wurde vor den Augen Morna Ulbrandsons und Larry Brents zu einem uralten
Hutzelweib, das zusammenschrumpfte und schließlich aussah wie eine Mumie, die
jemand hier vergessen hatte. Starr und steif lag sie auf dem Boden zwischen Küche
und Wohnzimmer. Ihre gebrochenen Augen starrten zur Decke.
Da
fuhr draußen ein Auto vor.
Es
war ein tomatenroter Morris. Der Mann, der ausstieg, machte sich nicht erst die
Mühe, durch die Tür zu kommen. Er streckte seinen Kopf durch die eingeschlagene
Scheibe, blickte sich interessiert in der Runde um und meinte: »Eine nackte
Schwedin schnellatmend in der einen Ecke. Inmitten des Zimmers ein totes
Federvieh und ein ratloser Agent mit einem Küchenmesser vor einer
ausgetrockneten Mumie. Hallo, Fans, kann ich da bloß sagen!
Jetzt
müßt ihr mir noch erklären, was das Ganze bedeuten soll. Ihr müßt hier ja ’ne
Orgie gefeiert haben, bei der euch was ganz Neues eingefallen ist.«
X-RAY-3
erhob sich. »Brüderchen Kunaritschew«, murmelte er und rieb sich die Augen, als
sähe er nicht richtig. »Wenn das keine Halluzination ist! Nein, es kann
eigentlich keine sein. Du hast ja ein verzweifeltes Talent dafür, immer dann
aufzukreuzen, wenn alles vorbei ist.«
»Da
muß ich energisch widersprechen, Towarischtsch.« X-RAY-7 machte sich nicht die
Mühe, durch die Tür zu kommen. Er schwang sich über die Fensterbank nach innen.
»Ich habe ein kleines Mädchen vorm sicheren Wahnsinn bewahrt, ich habe im
Bezirkshospital an einer Operation teilgenommen und einen Dämon zum Teufel
gejagt. Und jetzt möchte ich wirklich gern wissen, ob ihr die seid, für die ihr
euch ausgebt.« Mit diesen Worten hielt er ihnen das Amulett entgegen. Er
strahlte. »Ihr bleibt. Wie schön. Jetzt kann ich mich erst so richtig über
unser Wiedersehen freuen. Ich habe schon gedacht, Mrs. Mallory hätte sich ein
paar neue Hilfsgeister angeschafft. Einen – Lorkan oder Karlot – habe ich
erwischt. Der andere wird wohl das Weite gesucht haben.« Er schloß Larry in die
Arme und als nächste Morna.
»Komm
in meine Arme«, sagte er fröhlich. »Meine Bärenfellbrust wird dich wärmen.«
Iwan trug über einem handgestrickten Rollkragenpulli, den er ebenfalls aus
Rußland bekommen hatte, eine graumelierte, zottige Felljacke, die er gleich
darauf auszog und Morna überzog. »Faß das nicht als Beleidigung auf«, meinte er
mit rauher Stimme. »So ganz ohne gefällst du mir sehr gut. Aber ich will nicht,
daß der Fall mit einer Lungenentzündung endet.«
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Sie
blieben noch eine volle Woche im Gebiet um Tonklin.
Der
Vogel, bei dem man nicht wußte, ob es sich um George Mallory oder um David
Gander handelte, war bei Nacht und Nebel zur weiteren Untersuchung
abtransportiert worden.
Den
Vogel, den Larry Brent auf dem Feld in der Nähe des Royal Hotel überwunden
hatte, fand man auch. Er lag verbuddelt auf dem alten Friedhof, den die
Bewohner Tonklins wie die Pest mieden.
Im
Haus Ensebeth Mallorys durchsuchte man besonders die umfangreiche
Büchersammlung. Vergebens hofften die PSA-Agenten die Auszüge aus dem
Geheim-Buch zu finden. Sie waren verschwunden, ebenso wie der zweite Diener
Ensebeth Mallorys.
So
ganz glücklich waren sie nicht, als sie das Bergland von Cumberland nach einem
kräftigen Umtrunk, der bis in die Nacht hinein gegangen war, endlich hinter
sich ließen.
Es
war nicht möglich gewesen, Donald Masters zu retten. Das bedrückte die drei
Freunde.
Weder
vom Haus Ensebeth Mallorys noch von der alten Ruine aus, durch die Morna in ihr
Gefängnis geraten war, existierte ein normaler Zugang in den Berg.
Irgendwo
in diesen Bergen aber gab es einen Hohlraum, den man nur aufsuchen konnte, wenn
man – im wahrsten Sinne des Wortes – durch Wände gehen konnte.
Morna
und Larry hatten die einmalige Gelegenheit ergriffen und sich an Ensebeth
Mallory angehängt.
Donald
Masters hatte diese Chance verpaßt. Er war zurückgeblieben. Als ein Opfer
Rha-Ta-N’mys.
Sie
aber hatten noch einmal Glück gehabt, waren mit knapper Not
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