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0970 - Das Ende der Wächter

Titel: 0970 - Das Ende der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Wohnung befand.
    Als ihn die Ruhe seiner Wohnzelle umfing, fiel ihm ein Zitat von Carl Gustav Jung ein (er las viele alte Bücher, weil er aus ihnen Hinweise auf sein Problem erhoffte): Das Unerwartete und das Uner hörte gehören in diese Welt, nur dann ist das Leben ganz.
    Auf ihn angewandt, schien diese Bemerkung widersinnig zu sein. Er war dem Unerwarteten und dem Unerhörten begegnet - und sein Leben war zerstört ...
     
    *
     
    Lange Zeit lag er verzweifelt auf seinem Bett und versuchte, das, was ihn bedrängte, zu verstehen und unter Kontrolle zu bringen. Es war ein sich seit Tagen wiederholendes Unterfangen, und es schien diesmal ebenso erfolglos zu verlaufen wie in allen anderen Fällen. Trotzdem wurde Salik allmählich ruhiger. Das Gefühl, einer schrecklichen Entwicklung hilflos ausgeliefert zu sein, wurde von etwas anderem zurückgedrängt. Es klang zunächst nur sehr behutsam in Salik an, aber dann wurde es immer stärker. Es war eine Art Aufgeschlossenheit gegenüber dem Fremdartigen.
    Salik lag auf dem Bett und es war, als brandeten die Gezeiten des Universums in ihm auf und nieder. Für einen Zeitraum, der Minuten maß, vielleicht auch nur Sekunden, fühlte sich Salik eins mit einer universellen Form, und er atmete in ihrem Rhythmus. So nahe, ahnte er, war er niemals zuvor einer verborgenen Wirklichkeit gewesen.
    Doch der Augenblick verging, ohne daß er alles besser überschaut hätte - aber es war alles anders als zuvor. Nach wie vor fühlte er sich außerstande, das sich in ihm zusammenballende Wissen zu ordnen, aber es erfüllte ihn auch nicht mehr mit Entsetzen.
    Unwillkürlich seufzte er. Bereitwillig gab er sich der tiefen Müdigkeit hin, die nun von ihm Besitz ergriff.
    Er rollte auf den Rücken und war innerhalb weniger Augenblicke eingeschlafen. Während er dalag und ruhig und gleichmäßig atmete, erlebte er einen Traum von nie gekannter Intensität.
    Und trotzdem sollte er unmittelbar nach dem Erwachen jede Einzelheit dieses Traumes verrgessen ...
     
    *
     
    Im Grunde genommen war das Wesen überhaupt nicht vorstellbar, denn es besaß offensichtlich keine äußere Form. Trotzdem machte Salik sich in seinem Traum ein Bild von ihm, ein überaus merkwürdiges Bild. Er sah ein Wesen mit einem schlammverkrusteten braunen Pelz, das einen abgewetzten Ledergürtel um die Hüfte trug. Der einzige Zweck des Gürtels schien darin zu bestehen, ein paar kartuschenähnliche Behälter aufzubewahren, in denen vierfarbige Nelken wuchsen. Im Gesicht des Wesens war der Pelz zerzaust und teilweise ausgerissen. Narben und getrocknetes Blut vervollständigten dieses Bild. Um den rechten Arm trug das Wesen einen Verband, auch die Füße waren mit Lumpen umwickelt und schienen geschwollen zu sein.
    Das Wissen über dieses Wesen floß Salik, wie es bei Träumen üblich ist, völlig zusammenhanglos zu. Er wußte, daß es Marifat hieß und ein Sikr war. In seinem Traum erfuhr Salik nicht, was der Begriff Sikr eigentlich bedeutete, aber er erkannte, daß es etwas Ungewöhnliches war.
    „Ich bin dabei", sagte der Sikr in Saliks Traum, „den letzten Teil einer uralten Schuld abzutragen."
    Er schien vor einem gewaltigen Auditorium zu sprechen, und doch waren seine Worte ausschließlich an Salik gerichtet.
    „Im weitesten Sinne", fuhr Marifat fort und sein plattes Gesicht verzog sich zu einem freundlichen Lachen, „bist du ein Nachkomme von Armadan von Harpoon. Das scheint schwer nachprüfbar nach mehr als einer Million von Jahren, und diese Behauptung würde auch keiner anerkannten wissenschaftlichen Untersuchung standhalten.
    Aber die Wissenschaft untersucht sowieso nur das, was sie beschreiben kann. Der Wächterorden besaß jedenfalls ein profundes Wissen über genetische Zyklen, so daß dein Status nicht so unglaublich ist, wie es auf den ersten Augenblick aussehen mag."
    Was für ein seltsamer Traum! dachte Salik in seinem Traum. Es war einer jener Momente, wie sie in Träumen ab und zu vorkommen: Der schlafende Mensch weiß, daß er träumt und folgt den geträumten Abläufen gleichzeitig wie ein interessierter Beobachter.
    „Deine Herkunft hätte dir wenig genutzt", sagte Marifat, „wenn niemand gekommen wäre, um eine mentale Affinität zwischen dir und einem falschen Mitglied des Wächterordens zu wecken. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wie lange ich schon auf diese Gelegenheit warte."
    Alles, was Salik in diesem Traum empfand - und es war ein Gefühl, das weit über die Traumwelt hinausreichte -

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