Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

0970 - Das Ende der Wächter

Titel: 0970 - Das Ende der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
ihrer Existenz an innehatte. Nabel kennt nicht das Prinzip der natürlichen Selektion, sie mußte für ihre Evolution ein Motiv erfinden.
    Nabel strickt an ihrer Idee und vergrößert sie mit einer präzisen Mechanik wie eine Spinne ihr Netz. Und es ist auch im Grunde genommen ein Netz, in dem Nabel ihre Opfer fängt, wenngleich es unsicher ist.
    Nabel kann spüren, daß ihre Idee immer mehr an Boden gewinnt und sich unaufhaltsam ausbreitet. Ein Romantiker hätte Nabels Existenz vielleicht als einen elektronischen Traum bezeichnet, aber die Realität, die diesem Traum entsprang, war viel zu schrecklich, um darüber solche Gedanken zu verlieren. Natürlich war es Zufall, daß Nabel sich ausgerechnet für diese Idee entschieden hat, aber nun verfolgt sie sie mit unübertreffbarer Konsequenz.
    Und doch, eines Tages, wird dieses Mono-System auf besondere Art und Weise erschüttert.
    Was niemand für möglich gehalten hätte (am allerwenigsten Nabel), geschieht.
    Zunächst nur wie ein Hauch, wie eine stille Ahnung, mit der sensible organische Wesen Naturerscheinungen wahrnehmen können, bevor sie sich ereignen, dann mit immer stärker werdender Intensität.
    Nabel beginnt, sich mit einer neuen Idee zu beschäftigen.
    Dieser Vorgang ist so unvorstellbar, daß er das ganze System durcheinanderbringt. Man stelle sich einen Komputer vor, der Jahrhunderttausende lang immer die gleiche Frage beantwortet und plötzlich vor ein neues, nie gekanntes Problem gestellt wird. Das ist noch der beste Vergleich, wenn man zu verstehen versucht, was Nabel widerfährt.
    So sehr Nabel sich auch von Menschen und anderen Wesen dieser Art unterscheiden mag, so hat sie doch so etwas wie einen Selbsterhaltungstrieb. Er veranlaßt sie, sich um das Ausklammern der neuen Idee zu bemühen, sie zu verdrängen. Eine Zeitlang scheint dieses auch zu gelingen, und Nabel konzentriert sich wieder auf ihre elektronischen Träume von absoluter Macht.
    Doch die neue Idee erweist sich als zäh und stark. Sie ist von unglaublicher Überzeugungskraft. Sie kehrt zu Nabel zurück. Abermals wird sie von Nabel abgeschmettert, aber sie ist schon zu tief in das System eingedrungen, um völlig ausgelöscht zu werden. Wo immer sie aufflackert, löst sie regelrecht Brände aus.
    Die Idee ist fremdartig und bedrohlich - zumindest für Nabel. Wäre Nabel nicht Nabel, könnte sie feststellen, daß es eine ganz alltägliche Idee ist, eigentlich eine Selbstverständlichkeit für jedes Wesen im bekannten Universum.
    Nabel erkennt, daß sie gegen diese Idee kämpfen muß. Sie nimmt die Herausforderung an. Was sich nun über den Sümpfen abspielt, ist ein lautloses Drama, das optisch bestenfalls durch Überschlagblitze sicht bar wird, die aus dem gewaltigen Körper von Nabel herausschnellen. Nabel muß sogar (vorükergehend, wie sie glaubt) auf die weitere Ausdehnung der eigenen Idee verzichten, um diese neue Idee einzudämmen. Lange Zeit wogt der Kampf unentschieden hin und her, wobei jede der beiden Ideen einmal die Oberhand gewinnt.
    Daß die zweite Idee sich allmählich als stärker erweist und durchzusetzen beginnt, ist kein Anzeichen für eine Schwäche von Nabel. Die zweite Idee ist einfach natürlicher - und damn’ logischer als die erste. Das ist Nabels unlÖsbares Problem: Sie ist im Grunde genommen so strukturiert, daß sie für logische Ideen zugänglich ist.
    In einer nicht mehr allzu fernen Zukunft wird Nabel ihre alte Idee aufgeben müssen, das ist jetzt gewiß. Die neue Idee zu akzeptieren, heißt zuzulassen, daß sie sich immer weiter in diesem System ausbreitet. Letztlich wird dies mit unvorstellbarer Gee, schwindigkeit geschehen.
    Und dann, wenn Nabel ganz von dieser neuen Idee durchdrungen ist, regelrecht davon überzeugt, wird sie keine andere Wahl mehr haben, als sie nachzuvollziehen.
    Die Idee, die Nabel schließlich beherrschen und vernichten wird, ist, wie wir schon festgestellt haben, eine ganz einfache und natürliche, aber es sind ja gerade die einfachen Dinge, die Erfolg versprechen.
    Erinnern wir uns an Nabels erste Idee.
    Sie hieß Macht.
    Und das sind die Namen von Nabels neuer Idee: Alter und Tod!
    Armadan von Harpoon hat sie nicht einmal neu zu erfinden brauchen.
     
    ENDE
     

Weitere Kostenlose Bücher