0970 - Das Ende der Wächter
würde.
*
Auf dem Bildschirm konnte Scharnitzer beobachten, wie sich die Zellwelle und der Orbiter dem leuchtenden Raumschiff von zwei verschiedenen Seiten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit näherten. Ein Schwall orangefarbenen Protoplasmas ergoß sich über die NYLE und drückte sie ein paar Meter zur Seite, noch bevor Grenodart sein Ziel erreichte. Es dauerte nur Sekunden, dann hatten die wallenden Massen die Lichtzelle völlig unter sich begraben. Scharnitzer, der genau wußte, wie sich alles weiterentwickeln würde, schüttelte sich vor Lachen. Er sah, daß Grenodart den Antrieb seines Raumanzugs einschaltete und dem Kollektivorganismus dadurch entkam, daß er ein paar Meter in die Höhe schwebte. Scharnitzer konnte sich vorstellen, wie der Orbiter ratlos auf sein begrabenes Schiff hinabstarrte und überlegte, wie er jemals wieder von Gandrasur entkommen sollte. Das reizte ihn zu einem neuen Lachanfall.
Schließlich beruhigte er sich und schaltete die Funkanlage ein. Er kannte die Frequenz, über die er sich mit Grenodart in Verbindung setzen konnte.
„He, Orbiter!" rief er. „Wo bleibst du denn? Ich dachte, du würdest mir folgen."
Aus dem Empfänger kam ein undeutliches Gemurmel, und Scharnitzer konnte sich vorstellen, daß es sich um wenig schmeichelhafte Worte handelte.
„Ich verstehe dich nicht", sagte er. „Hast du etwa irgendwelche Schwierigkeiten?"
Grenodart schwieg, wahrscheinlich war er zu stolz, um Scharnitzer um irgend etwas zu bitten.
Scharnitzer beobachtete den Bildschirm nicht mehr. Für einige Zeit, dessen war er gewiß, würde sich auf der Oberfläche von Gandrasur nichts ändern.
*
Der Antrieb des Schutzanzugs war nicht stark genug, um Grenodart in den Weltraum zu tragen, und da er keinerlei Waffen besaß, um die im Plasma eingeschlossene NYLE freizulegen, konnte er sich leicht ausrechnen, daß er nur noch ein paar Tage zu leben hatte. Scharnitzer meldete sich nicht mehr, und Grenodart sah keinen Grund, ihn anzurufen und sich weitere spöttische Bemerkungen anzuhören. Für ihn war es unbegreiflich, daß Armadan von Harpoon mit Wesen paktierte, die einer solchen Verhaltensweise fähig waren. Vielleicht hatte der Ritter der Tiefe nicht sorgfältig genug recherchiert und war den Mitgliedern eines bösartigen Volkes aufgesessen.
Grenodart überlegte, was er anderes tun konnte, als auf sein Ende zu warten. Er hätte mit Hilfe des Schutzanzugs zu einer anderen Insel fliegen und dort landen können, aber damithätte sich nichts für ihn geändert.
Als der Tag sich neigte, schwebte der Lazarter noch immer in zehn Metern Höhe über der Stelle, an der die NYLE unter den Plasmamassen begraben war. Der Orbiter begann, sich auf eine trostlose Nacht einzurichten, als plötzlich unter ihm eine Veränderung begann. Die gewaltige organische Masse floß zunächst zögernd, dann immer schneller von der Insel zurück und gab dabei Stück für Stück von der NYLE frei. Grenodart verfolgte diesen Vorgang in einer Stimmung zwischen Bangen und Hoffen.
Als die Lichtzelle schließlich unbeschädigt (wenn auch zehn Meter von der ursprünglichen Landestelle entfernt) unter ihm stand, landete er und begab sich hastig ins Innere des Raumfahrzeugs. Er konnte es noch gar nicht fassen, daß er dem sicher geglaubten Ende auf diese unverhoffte Weise entronnen war.
Er ließ sich an den Kontrollen nieder, um festzustellen, ob es Schäden gegeben hatte, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen waren. In diesem Augenblick meldete sich Scharnitzer über Funk. Das Kichern des Gesandten drang aus den Empfängern.
„Das war ein übler Scherz!" rief Grenodart wütend. „Besitzen alle Angehörigen deines Volkes diesen seltsamen Humor?"
„Ich bin einer von der ernsten Sorte", behauptete Scharnitzer ungerührt. „Es wird dich interessieren, zu erfahren, daß es für die Plasmamassen auf Gandrasur regelrechte Gezeiten gibt, nach deren Rhythmus sie sich bewegen. Tagsüber bedecken sie oft alle Inseln, aber abends ziehen sie sich wieder zurück."
„Vielen Dank für die Belehrung", knurrte der Lazarter.
„Hast du noch immer Lust, mich zu begleiten?" fragte Scharnitzer.
„Ich liebe dich heiß und innig", versetzte Grenodart grimmig. „Und ich würde um keinen Preis des Universums deine Nähe missen wollen."
„Wie schön", meinte Scharnitzer. „Dann folge mir endlich."
*
Scharnitzer ließ den Orbiter darüber im unklaren, ob die Welt, auf der sie wenig später landeten, zum Reich
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