0974 - Wachfort SkarabÀus
Sie blickte zu ihm herüber, als sie begann.
Sie faßte zusammen, was viele Redner vor ihr bereits ausgesagt hatten, und welche Vorwürfe der Regierung gemacht wurden. Sie warf ihr Versagen in einer Situation vor, in der nach ihrer Ansicht noch alles zu retten gewesen wäre.
Später, so behauptete sie, habe Tifflor den wahren Ernst der Lage zunächst nicht erkannt, dann vor der Öffentlichkeit verschleiert. Er habe die Menschen der Erde bis zuletzt in Sicherheit gewiegt, obwohl sich ein Ausweg aus der derzeitigen Situation nicht zeigte. Sie lastete ihm die Schuld an der Weltwirtschaftskrise an, die als Folge des Orbiter-Ultimatums entstanden sei, weil er von denen ihm als Ersten Terraner zur Verfügung stehenden Machtinstrumenten keinen Gebrauch gemacht habe.
„So stehen denn Millionen vor dem wirtschaftlichen Nichts", rief sie in den Saal. „Die Regierung hat zu einem Zeitpunkt Optimismus verbreitet, als es dringend notwendig gewesen wäre, vor wirtschaftlichen Risiken zu warnen. Und sie hat ihrem Pessimismus Ausdruck verliehen, als Milliarden auf einen Funken Hoffnung warteten."
Tifflor lächelte kaum merklich.
Die Vorwürfe der Oppositionsführerin waren unberechtigt. Sie spielte auf das Börsengeschehen in aller Welt an. Doch die Verluste, von denen sie sprach, betrafen nur jene, welche sich auf ein Hasardspiel eingelassen, und jene, die die Geduld verloren hatten. Wer sein erspartes Geld zu einem Zeitpunkt in Börsenpapieren angelegt hatte, als die Kurse hoch standen, hatte zumindest auf dem Papier viel Geld verloren. Tatsächliche Verluste aber traten erst ein, wenn die Papiere zu einem wesentlich niedrigeren Kurs verkauft worden waren. Verluste hatten vor allem Spekulanten erlitten, die geglaubt hatten, auf einfache Weise schnell reich werden zu können. Zu Spekulationen aber hatte die Regierung niemals geraten. Im Gegenteil. Sie hatte davor gewarnt und der Bevölkerung empfohlen, in Ruhe abzuwarten, bis sich die Lage wieder stabilisiert hatte.
Helen Reijsbergen konzentrierte sich allzu sehr auf das wirtschaftliche Geschehen auf der Erde. Doch damit erzielte sie im Parlament nicht die erhoffte Reaktion. Selbst bei ihren eigenen Anhängern wurde es unruhig.
Jedem Parlamentarier war bewußt, daß die Weltwirtschaft angesichts einer solchen Krise empfindlich reagieren mußte. Von niemandem waren Investitionen zu erwarten, wenn zu befürchten war, daß die Erde schon Tage später evakuiert werden mußte. Niemand war zu langfristigen Geschäften bereit, wenn nicht abzusehen war, daß sich irgendwo auch ein Erfolg ergeben wurde.
Tifflor wußte, daß die Oppositionsführerin auf das volkswirtschaftliche Thema ausgewichen war, weil sie davor zurückschreckte, die militärischen Pläne der Regierung zu verraten und damit zu sabotieren. Doch das beruhigte den Ersten Terraner keineswegs. Er beobachtete Helen Reijsbergen genau, und ihm fiel auf, daß sie durch die ausbleibende Zustimmung des Parlaments auf ihre Rede immer unsicherer wurde.
Helen Reijsbergen war es jedoch nicht gewohnt, ins Leere zu sprechen. Sie war eine glänzende Rhetorikerin, die es immer wieder geschafft hatte, die Zuhörer aller Parteien zu fesseln.
Die ablehnenden Zurufe häuften sich.
Die Oppositionsführerin hatte Mühe, sich auf das zu konzentrieren, was sie sagen wollte.
Tifflor blickte sie an.
Er hoffte, daß sie ihre Rede beenden und auf weitere Angriffe verzichten würde. Ihre Argumente fürchtete er nicht. Helen Reijsbergen verringerte die Erfolgsaussichten für die Abstimmung selbst. Doch das wußte sie, und dadurch wurde sie um so gefährlicher, je länger sie sprach.
Tifflor fürchtete, daß sie bald einen Punkt erreichte, an dem sie verzweifelte, weil ihr niemand mehr zuhörte. Wenn das der Fall war, bestand die Gefahr, daß sie den Orbiter-Plan verriet, nur um sich Gehör zu verschaffen.
„Ich möchte aufstehen und sie von da oben runterholen", sagte TiffloP leise zu Milton Harriman, der ihm einige Akten brachte. „Sie hält das nicht durch."
Helen Reijsbergen verstummte. Im Parlament war es so laut geworden, daß sie Mühe hatte, die Stimmen der anderen zu übertönen, die sich unterhielten, als stünde zur Zeit niemand am Rednerpult. Die Oppositionsführerin wurde blaß. Sie blickte zu Tifflor hinüber. Ihre Hände klammerten sich um die Kanten des Rednerpults.
Tifflor erkannte, daß sie am Ende ihrer Kraft war.
Sie stand unmittelbar davor, die Wahrheit über den Jen-Salik-Plan zu verraten, um sich und den
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