0983 - Schwingen des Verderbens
sehen ließ.
Ganz selten nur - wohl alle 100.000 Jahre erzählte man sich - erschien Vassago von sich aus und warnte vor Gefahren, die existenzielle Vernichtung mit sich brachten. Nur im Falle, dass den Mitgliedern der Schwarzen Familie etwas Schlimmes geschehen würde, hatte er bisher eine Ausnahme gemacht.
»Ich muss Stygia sprechen, sie allein«, forderte Vassago.
»Was willst du von der Herrin?«, wollte der fliegende Affe wissen. »Sie hat keine Zeit für dich, denn sie hält gerade eine Audienz ab.«
Der Erzdämon blickte den Primaten böse an. Dem wurde es heiß und kalt, seine Flughäute begannen auf einmal zu qualmen.
»Ich werde Stygia sprechen!«, donnerte Vassagos Stimme durch den Thronsaal.
Der fliegende Affe nahm den Kelch und stellte ihn neben den mit Totenköpfen verzierten Thron. Stygia blickte den Affen erstaunt an. Sie duldete es nicht, dass sie bei einer Audienz gestört wurde, fernerhin war sie erstaunt über die qualmenden Schwingen.
»Was soll das bedeuten?«, fragte die Dämonin mit eisiger Stimme.
»Aber Herrin, ich…«, stotterte das arme Wesen und trat vor Furcht über die Strafe der Ministerpräsidentin automatisch einige Schritte zurück. »Ich kann mich nicht dagegen wehren…«
Dann sorgte sie dafür, dass der fliegende Affe kein zweites Mal eine solche Störung verursachen konnte. Stygia streckte die Arme vor und spreizte die Hände. Mit einem lauten Fauchen explodierte der Diener. Myriaden von Staubflocken rieselten als einziger Überrest von ihm auf den Steinboden. Ein brennend heißer Wind erschien aus dem Nichts und wehte die Staubpartikel davon.
»Und was ist mit mir?«, fragte der oberste Peinteufel. Ständig huschten blaue Flämmchen über seine Haut hin und her. »Ich war zuerst dran. Vassago soll warten!«
Der eisige Blick Stygias sorgte dafür, dass er gleich darauf den Kopf senkte und sich demütig gab. »Verzeiht, Herrin. Ich höre und gehorche.«
Auf eine Handbewegung von Stygia hin war der oberste Peinteufel entlassen. Er verschwand, bevor sie es sich anders überlegte und mit ihm genauso verfuhr wie mit dem fliegenden Affen. Sogar seine Artgenossen und Stygias andere Lieblinge, die Amazonen, mussten den Thronsaal räumen.
Sein Abbild im Blutkelch verschwand, und der Erzdämon erschien selbst im Thronsaal und erzählte von der Bedrohung für die Hölle. Dazu ließ er seine Vision bildlich ablaufen.
Die Dämonin war nicht sehr erfreut gewesen über Vassagos Sendung. Sie wollte ihn in seinem Redeschwall zuerst abblocken, doch war das Thema dem Erzdämon zu wichtig, als dass er sich auf halten ließ.
Sie setzte sich im Thron zurück und blickte sich während des Berichts demonstrativ um. Die an den dunklen, mit feinen, aber unsagbar obszönen beweglichen Reliefs überzogenen Wänden angebrachten Fackeln warfen ein unruhiges Licht, doch Stygia fand die Lichtverhältnisse passend und sehr stimmungsvoll.
Sie schlug die Beine übereinander, als Vassago seinen Bericht beendet hatte.
»Du behauptest also, dass laut deiner Vision der Hölle der Untergang droht«, fauchte die Herrin der Schattenwelt. »Und dass weiterhin unser aller Leben in Gefahr ist.«
»So ist es!«, bekräftigte Vassago. In seiner Position hatte er es nicht nötig, Stygia als Herrin zu titulieren.
»Du behauptest weiterhin, dass Professor Zamorra etwas damit zu tun hat?«
Der Erzdämon bestätigte auch dies.
»Ich werde mir deine Worte überlegen«, sagte Stygia. »Bis dahin bist du entlassen.«
Vassago fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Die oberste Dämonin behandelte ihn wie einen Bittsteller! Das durfte nicht wahr sein!
»Weshalb rufen wir nicht sofort eine Versammlung der Erzdämonen ein?«, grollte er. »Agares, Astaroth, Zarkahr… Grohmhyrxxa…«
»Das werden wir«, wiegelte Stygia ab. »Aber nicht heute.«
Also hatte Vassago die anderen Erzdämonen im Alleingang versammelt und ihnen seine Vision vom Untergang der Hölle gezeigt, doch seine Kollegen zeigten ebenfalls, dass sie den Bericht für überzogen hielten. Sie wischten seine Bedenken einfach vom Steintisch. Wer oder was sollte ihnen gefährlich werden? Professor Zamorra etwa? Der hatte zwar mittels seines Amuletts im Lauf der Jahre Tausende von Schwarzblütigen getötet, aber mit der ganzen Hölle und ihren Abermilliarden Bewohnern konnte er sich nicht ernsthaft anlegen.
»Ihr seid ein Haufen von Narren!«, hatte Vassago geschimpft, ehe er die Versammlung auflöste und verschwand.
Sein Entschluss stand fest. Er
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