0983 - Schwingen des Verderbens
fragenden Blick, zuerst verständnislos, doch nach zwei Sekunden wusste er, was sein Kollege meinte.
»Wo ist sie hin?«, fragte José die beiden Kollegen von der Spurensicherung. »Habt ihr sie gesehen?«
»Wen meinst du, Schätzchen? Etwa die Señora?«, fragte die Frau und blickte José wegen der Störung verärgert an.
»Ja, Señora Duval.« Der Polizist zeigte mit beiden Händen auf die Stelle, an der sich Nicole noch vor wenigen Sekunden befunden hatte. Mit einem Mal klang seine Stimme vor Überraschung um eine Oktave höher. »Wo ist sie hingegangen?«
»Ich habe keine Ahnung, wir konzentrieren uns schließlich auf unsere Arbeit«, entgegnete die Spezialistin. »Aber wenn ihr beide euch ständig in den Haaren haben müsst, ist es kein Wunder, wenn sie es nicht bei euch aushält. Das würde ich auch nicht!«
»Das darf doch wohl nicht wahr sein!«, stöhnte Luis und wischte sich über die Stirn.
»Sie ist spurlos verschwunden!«
***
Vassagos zweite Vision:
Er hatte Stygia tatsächlich gewarnt, und nach der Ministerpräsidentin Satans auch die anderen Anführer der Schwarzen Familie. Vassago wollte gar nicht an jenen schwarzen Tag denken; als er eine Unterredung bei Stygia forderte…
Die Hölle war damals eine real existierende andere Welt gewesen, eine eigene Dimension, nur einen winzigen Schritt von uns entfernt und doch nur durch Weltentore oder mittels Magie zu erreichen. Sie war teilweise relativ instabil in ihrer Struktur und veränderte sich in jenen Zonen ständig. Wo heute noch Wege durch Feuer, Lava oder Felshöhlen führten, war morgen das völlige Nichts und umgekehrt; bewohn- oder begehbare Bereiche wurden lebensfeindlich, an anderen Stellen entstanden Sphären, in denen nicht nur Dämonen und Teufel, sondern auch Menschen leben konnten. Gewaltige Landschaften unter unerreichbarem rot glühenden, sonnen-, mond- und sternenlosen Firmament, riesige Höhlen, enge Kavernen und gewundene Gänge, reißende Ströme von Wasser und Lava auf der einen Seite, sowie frostklirrende Zonen, glühende Wüstenei auf der anderen Seite wechselten sich ab.
Und sie war das Bollwerk und Zentrum Schwarzer und Schwärzester Magie.
Und doch gab es hier zwei Orte, die unter allen anderen herausragten. Der Thronsaal von Ministerpräsidentin Stygia und der Palast von Fu Long, dem Fürsten der Finsternis.
Im Thronsaal der Präsidentin herrschte oft großes Treiben. Audienzen waren an der Tagesordnung. Es gehörte zu Stygias Pflichten, sich anzuhören, was die oberen Dämonen auf dem Herzen hatten - so man einem solchen Wesen ein Herz für andere unterstellte. Notfalls musste sie eingreifen, Hilfe und Rat geben oder ein Machtwort sprechen.
So auch heute. Den obersten Peinteufel der Seelenhalde Süd hatte sie zu einem Gespräch zu sich befohlen.
Diese Aufgaben waren längst zur Routine für sie geworden, schon zu Zeiten, als Stygia noch Fürstin der Finsternis und dem damaligen Ministerpräsidenten Lucifuge Rofocale unterstellt war. Meistens langweilte sie diese Arbeit, aber im Interesse der Hölle konnte und durfte sie sich dieser Pflicht nicht entziehen. Und manchmal war sie Anklägerin, Richterin und Vollstreckerin in einer Person.
Letzteres gehörte sowieso zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Besonders, seit sie von ihrem Sohn Asael vor allen anderen Höllenbewohnern bloßgestellt wurde.
Vassago hatte zuerst ein Abbild von sich in den Thronsaal der höchsten Repräsentantin der Hölle gesandt, um auf die Gefahr aufmerksam zu machen, die der Hölle drohte. Dieses Abbild, Spiegel des Vassago genannt, das in einem mit Blut gefüllten Kelch erschien, präsentierte einer der fliegenden Affen, Stygias Lieblinge jener Zeit, seiner Befehlshaberin.
Der Affe schrie auf, als Vassagos Gesicht auf dem mit Blut gefüllten Kelch erschien.
»Weshalb benutzt du den Spiegel des Vassago im Thronsaal der Herrin?«, kreischte der Primat.
Vassago diente damals zwei Herren, dem Guten ebenso wie dem Bösen. Er hoffte seit Äonen auf Erlösung und war deshalb bemüht, nicht nur böse zu sein, sondern auch Gutes zu tun, um sein positives Punktekonto zu erhöhen. Dadurch wurde er ab und zu zum Helfer diverser Weißmagier.
Der Spiegel des Vassago war eine Wasserfläche beliebiger Größe - das konnte sowohl ein Ozean als auch eine Kaffeetasse oder eine Pfütze sein -, die durch die Beschwörung Vassagos in eine Art Spiegel verwandelt wurde, in dem die Dinge sichtbar wurden, die der Beschwörende sehen wollte, oder die Vassago ihn
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