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0985 - Libertys Tränen

0985 - Libertys Tränen

Titel: 0985 - Libertys Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Gegenüber mehr Verstand zugetraut.
    »Sie haben einen freien Willen, Lyle«, fuhr Zamorra fort. Dabei ging er immer weiter, langsam und gleichmäßig auf die Bühne zu. »Nach wie vor. Trotz der Beeinflussung durch den Tränensplitter. Hätten Sie den nicht, stünden Sie jetzt nicht hier und würden mit mir sprechen.«
    Auf einmal flackerte etwas in Jennings’ Augen. Zamorra war, als sähe er für einen kurzen Moment hinter den Wahn, der den Kurator gefangen hielt. »Ich…« Jennings keuchte. »Ich habe keine andere Wahl«, wisperte er.
    Und das Ende begann!
    Der Spiegler, den nur Zamorra sah, riss die Arme in die Höhe, und wie auf’s Stichwort schoss der dämonische Himmel von City Island seine grünen Entladungen auf den Schutzschild des Amuletts hernieder. Zamorra stürzte, fiel zu Boden und keuchte vor Anstrengung, doch die Deckung hielt - noch. Mühsam stemmte sich der Meister des Übersinnlichen wieder auf die Beine. Er schmeckte Blut, und ihm war, als schmerzten ihm alle Knochen im Leib gleichzeitig. Unter dem Schild wurde es heißer und heißer, obwohl inzwischen ein Unwetter biblischen Ausmaßes auf den Museumshof niederging und die Außentemperatur bei nicht mehr als sechs Grad Celsius liegen konnte.
    »Gehen Sie weg, Monsieur«, rief der echte Jennings über das Tosen der Gewalten hinweg. »Halten Sie Abstand zu Miss Duval, dann geschieht Ihnen nichts. Dies hier gilt nicht Ihnen.«
    Zamorra sah auf. Jennings stand neben Nici und zeigte mit nahezu väterlichem Stolz auf den Dimensionsriss, der noch immer oberhalb der Bühne schwebte. Das Ding sah aus, als habe jemand ein Loch in die Wirklichkeit gerissen, aus dem nun Nebel drang.
    Er will Nicole, begriff der Professor.
    Wer auch immer sich hier Jennings’ Spiegelbild bemächtigt, ist nicht hinter mir her, und auch nicht hinter City Island -obwohl er damit rechnen muss, dass es wohl Kollateralschaden seines Handelns wird. Sondern hinter Nicole.
    Im Geiste hörte er ihre Stimme wieder, eine Erinnerung aus der jüngeren Vergangenheit. Wenn dich dein Bauch in den Big Apple ruft, solltest du dich ihm nicht widersetzen - und nach all den Abenteuern, die du dort ohne mich bestritten hast, wird es höchste Zeit, dass ich mal mitkomme. Vielleicht siehst du dann, was du sehen sollst.
    Etwa das hier? Ihr drohendes Ende?
    Jennings hatte ein Messer gezogen und durchtrennte damit die Fesseln, die Nicole an den Pfahl fixierten. Dann packte er sie an den Schultern und schob sie in Richtung des Risses.
    »Sieh zu, Dämonenjäger«, raunte der hohle Lyle. »Sieh genau zu.«
    Zamorra stürmte vor. Im Nu hatte er die letzten verbliebenen Meter, die ihn von der Bühne trennten, überwunden, doch als er Jennings erreichte, um ihn aufzuhalten, schlugen abermals die höllischen Energiestrahlen seinen Schutzschild. Für einen kurzen Moment verlor der Professor das Gleichgewicht. Die Welt drehte sich vor seinen Augen. Galle stieg ihm in den Mund, Blut lief ihm aus Nase und Ohren. Sein Hirn schien in eine Mikrowelle geraten zu sein, und vor seinem geistigen Auge tanzten plötzlich Bilder, die er weder verstand, noch einzuordnen wusste - obwohl er selbst in ihnen vorkam!
    Dann schwanden ihm die Sinne.
    Kapitel 9
    Splitterlicht
    Der Moment der Schwäche verging so schnell, wie er gekommen war, doch er reichte seinem Gegner zum entscheidenden Schlag. Zamorra öffnete blinzelnd die Augen - und kam gerade recht, zu sehen, wie ein Strahl aus grünem Dämonenlicht vom Himmel herab direkt auf seine Brust niederging!
    Der Professor lag rücklings auf dem Bühnenboden, reglos und wehrlos. Wie ein festgepinnter Schmetterling.
    Der Schmerz war unbeschreiblich. Zamorra wurde es gleichzeitig heiß und kalt, fühlte sich gleichzeitig hier und anderswo. Ihm schien, als diffundiere er, einem nebligen Dunst gleich, durch unzählige parallele und zeitversetzte Realitäten, unzählige Orte - alles innerhalb eines einzigen, endlosen, qualvollen Augenblicks. Er war nie ein Mann gewesen, der aufgab und sich Widerständen unterordnete, doch in diesem einen Augenblick hätte er alles gegeben, wirklich alles, um endlich…
    ... sterben zu dürfen.
    Doch der Moment verging. Und obwohl es unmöglich schien, fand das Amulett noch irgendwo in Zamorra letzte Kraftreserven. Keine Sekunde nach seiner kurzen Ohnmacht kehrte sein magischer Schutzschild zurück und verwehrte dem dämonischen Strahl den weiteren Zugriff auf ihn.
    N… Nie…
    Eher instinktiv denn bewusst sah sich der Professor nach seiner

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