0986 - Das Ende der Sternenstadt
bevor er in die vertraute Finsternis hinabtauchte, dachte er noch, daß dies wohl der verrückteste Moment war, um sich der Vollendung und dem Endpunkt zuzuwenden.
*
In der Trance konnte er alles vergessen, was ihn quälte. Er lag wieder auf der Lauer und wartete auf die Berührung mit einem fremden Bewußtsein, wie er es schon so oft getan hatte. Alles war wie sonst, bis zu dem Augenblick, in dem jemand nach ihm rief.
Er hatte schon oft Rufe von draußen gehört, Schreie sogar in denen alle jene Gefühle lagen, die ihn so fasziniert hatten. Angst, Trauer, Haß und Verzweiflung. Manchmal auch Triumph. Aber dieser Ruf war sanft. Er kam zuerst von weit her, näherte sich dann rasch, und schließlich vernahm er deutlich seinen Namen.
„Thezein!"
Er richtete träge seine Aufmerksamkeit in jene Richtung, aus der der Ruf kam.
„Wer bist du?" fragte er.
„Erkennst du mich nicht? Ich bin das, was du als Sinjadyl kennst."
Seine Überraschung war so groß, daß er fast aus der Trance herausgefallen wäre.
„Wie hast du mich hier gefunden?" fragte er verblüfft und dann, als ihm zu Bewußtsein kam, was ihre Anwesenheit an diesem Ort bedeutete: „Warum läßt du mich nicht in Ruhe? Hier kann ich alles vergessen."
„Dazu ist es zu früh", antwortete sie ruhig. „Komm her! „ Er hatte nicht die geringste Lust, dieser Aufforderung zu folgen. Er wollte da bleiben, wo er sich gerade befand, und er war fest entschlossen, die Meditationsphase so lange auszudehnen, bis entweder der Untergang von Art’Yschall oder totale Erschöpfung sein Bewußtsein auslöschte. Er bemühte sich, nicht daran zu denken, was hinterher kommen mochte.
Aber obwohl er sich sträubte, glitt er auf das, was Sinjadyl hieß, zu und kam nicht mehr davon los. Als wäre Sinjadyl ein starker Magnet und er, Thezein, nur ein winziges Eisenstäubchen, so hing er an ihr fest.
„Hab’ keine Angst", sagte sie beruhigend. „Es geschiebt dir nichts. Ich bringe dich rechtzeitig wieder zurück."
„Wohin bringst du mich?" erkundigte er sich-beklommen.
„Warte es ab. Du wirst es gleich merken."
Damit begann eine seltsame Reise. Sinjadyl glitt mit ihm aus dem dunklen Medium, in dem er sich verborgen hatte, heraus, mitten in eine Fülle von Licht hinein. Thezein hatte während seiner Meditationen niemals etwas gesehen, und selbst die Gestalten jener Fremden, denen er begegnet war, kannte er nur aus den Bildern, die sie sich von sich selbst gemacht hatten. Jetzt aber erkannte er um sich herum Art’Yschall, aus einer sehr ungewohnten Perspektive heraus, denn alles schien viel kleiner zu sein als in zu sein als in der Wirklichkeit.
Sie erreichten eine mattleuchtende Wand und stießen hindurch, und Thezein, der in diesem Zustand nach allen Seiten gleichzeitig blicken konnte, sah zum erstenmal die Sternenstadt von außen - ein gigantisches Gebilde, das aussah, als wäre es von einem mattleuchtenden Nebel ausgefüllt, und in dem sich zahllose Materiebrocken befanden. Je größer die Entfernung wurde, desto fremdartiger sah Art’Yschall aus, und Thezein kam erst nach langer Zeit dahinter, was ihn an diesem Anblick störte: Er hatte sich Art’Yschall immer als eine gewaltige Kugel vorge. stellt. Es schien ihm die ideale Form zu .sein, und da er sich mit niemandem darüber unterhalten hatte, der ihm die Wahrheit hätte sagen können, war ein festes Bild aus dieser Vorstellung geworden.
Nun aber mußte er erkennen, daß die Sternenstadt einen riesigen Würfel mit .gerundeten Kanten und Ecken bildete. Das kam ihm unnatürlich vor.
„Warum hat man diese Form gewählt?" fragte er verständnislos.
„Magst du sie nicht?"
„Sie ist unvollkommen."
„Vielleicht. Aber du solltest nicht vergessen, was Art’Yschall ist. Wir wollten damals etwas schaffen, was in jeder Beziehung ungewöhnlich ist. Es gibt unzählige raumfahrende Völker im Universum, und viele von ihnen haben ebenfalls riesige Raumfahrzeuge gebaut. Niemand konnte ausschließen, daß es nicht doch schon etwas gab, das genauso groß war wie Art’Yschall aber wenn es so war, dann hatte es ganz gewiß nicht die Form eines Würfels."
„Eine Kugel sähe schöner aus!" beharrte Thezein auf seiner Meinung.
„Ist das so wichtig?" fragte Sinjadyl gleichmütig. „Sieh es dir an, Thezein, und vergiß es niemals!"
„Ich werde wohl kaum noch einmal eine Gelegenheit haben, mich daran zu erinnern."
„Dein Bewußtsein ist unsterblich."
„Ja, aber wenn Art’Yschall nicht mehr existiert, gibt
Weitere Kostenlose Bücher