0988 - Die Magnetfrau
größeren Messer klemmte schräg an ihrem Hals, und die Spitze wies gegen die rechte Unterseite des Kinns.
Nichts war ihr geschehen. Kein einziger Blutstropfen bedeckte die Haut.
Auch die Kleidung wies kein Loch auf. Da waren weder Zinken noch die Spitze eines Messers durch den Stoff gedrungen. So ungewöhnlich es auch sein mochte, aber diese Person, die Celia hieß, schien die Messer zu beherrschen.
Grit Wayne suchte nach Worten. Das meiste erschien einfach zu banal, um es auszusprechen. Es war Unsinn, sie danach zu fragen, ob alles okay war, aber etwas anderes wollte ihr beim besten Willen nicht einfallen.
»Celia, was ist denn?«
Die junge Frau reagierte nicht.
»Bitte…«
»Es ist gut, Mutter…«
Grit schloß für einen Moment die Augen, als die Erleichterung über sie kam. Wunderbar - ihre Tochter konnte reden. Es war so perfekt, es war einfach super gewesen. Ihr war nichts geschehen, das allein zählte zunächst und sorgte bei Grit auch für einen gewissen Streßabbau.
Sie fühlte sich jetzt besser. Schon immer war sie es gewohnt gewesen, das Leben in die eigene Hand zu nehmen. Ihr Mann war oft unterwegs, und so hatte sie sich immer durchschlagen müssen und war auch mit den Problemen fertig geworden.
Hier stand sie vor einem Phänomen.
Sie machte sich selbst Mut und zitterte trotzdem, als sie den rechten Arm ausstreckte, weil sie nach dem ersten Messer fassen wollte. Sie hatte sich für eines der größeren entschieden, weil ihr die am gefährlichsten aussahen.
Das waagerecht und mit der Spitze leicht nach oben zeigende Messer am Kinn war ihr am wenigsten geheuer. Ein geringer Ruck nur, dann fuhr es durch die dünne Haut und würde tief in die Kehle eindringen.
Die Finger umschlossen den Griff. Er war aus Holz gefertigt. Dennoch fühlte er sich kalt an.
Sie zog.
Zu schwach.
Celia mußte ein verdammt starker Magnet sein. Da brauchte man schon Kraft, um das Messer zu lösen.
Der nächste Versuch.
Wieder setzte sie eine gewisse Gewalt ein. Diesmal klappte es. Plötzlich, mit einem Ruck, löste sich das Messer vom Hals der Tochter. Grit hielt es in der Hand, und sie taumelte - bedingt durch den Ruck - noch mit dem Messer zurück. Mit der Rückseite des Körpers berührte sie die Kante der offenstehenden Lade und schob sie wieder zurück.
Das Messer legte sie weg. Sie war froh über den ersten Erfolg, aber sie wollte jetzt nicht aufhören und mußte sich um ihre Tochter kümmern.
»Ich bleibe bei dir, Kind«, sagte Grit. »Du mußt nur stehenbleiben. Ich werde dir die Bestecke vom Körper lösen. Wir haben Zeit genug, glaub mir.«
»Das brauchst du nicht, Mum.«
Die Erklärung hatte Grit verwirrt. »Nein?« fragte sie flüsternd. »Warum denn nicht?«
»Es ist vorbei.«
»Wie meinst du das?«
»Du wirst es sehen, Mutter.« Celia atmete tief ein. Es klang irgendwie auch beruhigend. »Ich weiß, wann die Dinge vorbei sind. Es ist wirklich alles okay bei mir. Du brauchst wirklich keine Angst davor zu haben. Ich merke es.«
Grit Wayne hatte zwar zugehört, aber nur wenig von dem begriffen, was man ihr sagte. Sie klimperte mit den Augen, eine Geste der Verlegenheit, dann fing sie an zu schnaufen und nickte. »Gut, ich vertraue dir, Kind, aber wir werden über gewisse Dinge zu reden haben.«
Darauf bekam sie keine Antwort. Celia war mit sich selbst beschäftigt.
Sie zog die Arme wieder an. Langsam diesmal, da sie mit Gewichten behaftet waren.
Und während sie das tat, lösten sich bereits die ersten Bestecke von ihrem Körper. Da rutschten und fielen die Einzelteile nach unten und landeten mit klirrenden Geräuschen auf den Fliesen. Auch die schweren Messer konnten sich nicht mehr halten. Sie schlugen mit wesentlich lauteren Geräuschen auf und rutschten dabei noch weiter. Sogar in die Nähe der Mutter gerieten sie.
Grit hob kein Teil auf. Einzig und allein Celia war für sie interessant und natürlich deren Wohlergehen. Die Tochter hatte es nicht einfach. Sie kam sich vor wie jemand, der unter einem mächtigen Schwindel litt, das stellte auch Celia mit Bestürzung fest. Jetzt, wo sie wieder normal geworden war, schaffte sie es kaum, sich auf den Beinen zu halten. Sie verdrehte sogar die Augen, ein Zeichen für einen leichten Schwindel, und es fiel ihr schwer, überhaupt normal stehen zu bleiben.
Grit Wayne griff ein. Sie sprang hinzu und fing ihre Tochter ab, bevor sie endgültig fiel. Celia lag in ihren Armen. Sie zitterte und war trotzdem steif. Grit hörte den Atem dicht an ihrem
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