0988 - Die Magnetfrau
sie den unheimlichen Vorgang. Sie war innerlich völlig zerrissen.
Begreifen konnte sie ebenfalls nichts. Sie schaute nur zu und dachte auch nicht weiter nach.
Es war schon unheimlich, aber nicht für Celia. Sie stand da und hielt ihre Blicke auf die gefährlichen Messer gerichtet, die das neue Ziel noch nicht erreicht hatten. Sie schwebten zwischen Schublade und Celia, als müßten sie sich erst noch orientieren, wo sie ihr neues Ziel finden sollten. Zwar befanden sie sich in Bewegung, aber sie drückten sich kaum nach vorn. Die Kraft der jungen Frau schien nicht zu reichen, diese schweren Gegenstände anzuziehen.
Ein besonders langes Messer mit einem ziemlich schweren Griff sackte in der Luft plötzlich durch. Es fiel nicht zu Boden, obwohl es mit der Spitze darüber hinwegkratzte und Grit Glück hatte, von ihr nicht erwischt zu werden. Sie beobachtete das Messer weiter. Es näherte sich langsam ihrer Tochter, dann hob es für einen Moment ab. Es sah aus, als wollte es in den Körper hineinrammen.
Grit Wayne blieb der Schrei in der Kehle stecken. Sie fühlte sich wie in einem Knast steckend, dessen Wände sie bedrängten. Plötzlich fürchtete sie um das Leben ihrer Tochter, da sich das schwere Messer kaum manipulieren ließ.
Es prallte gegen den Körper - und stieß nicht hinein. Im letzten Moment hatte es Celias Kraft noch angehoben, so daß es seinen Platz an deren linkem Oberschenkel fand. Mit den anderen Messern passierte das gleiche.
Grit kam sich vor wie eine Zuschauerin bei einer absurden Zirkusvorstellung.
Sie konnte es einfach nicht fassen. Das war zuviel für sie, und ihr Atem schwappte regelrecht aus dem Mund. Sie war innerlich verkrampft, die Hände hatte sie zu Fäusten geballt. Sie bewegte ihren Mund, als würde sie auf einem Kaugummi kauen. Die Augen erinnerten an Glas, so starr waren sie.
Celia stand da und bewegte sich nicht. Noch immer mit gespreizten Armen, aber sie sah jetzt anders aus.
Bedeckt mit Löffeln, Gabeln und Messern. Kein einziges Besteckteil befand sich noch in der Schublade. Alle hatten sie verlassen und hafteten an Celia.
Grit Wayne verstand die Welt nicht mehr. Sie schluchzte auf. Sie wäre am liebsten weggerannt und hätte irgendwo Zuflucht gesucht, aber das schaffte sie auch nicht. Die andere Kraft zwang sie zurück auf den Fußboden, und die kalten Schauer auf ihrem Rücken schienen allmählich zu vereisen. Es war still in der Küche geworden. Nur das Atmen beider Frauen war zu hören, wobei Grit härter die Luft ausstieß als ihre Tochter.
Sie schaffte es auch, sich wieder zu bewegen, und sie quälte sich langsam auf die Füße.
Zitternd blieb sie stehen.
Was sie sah, war unwahrscheinlich. Erst jetzt kam ihr richtig zu Bewußtsein, was hier abgelaufen war. Aus Celia war - wie auch immer - ein menschlicher Magnet geworden!
Grit Wayne ging einige Schritte zur Seite, bis sie direkt vor ihrer Tochter stand, dort auch stoppte, um Celia ins Gesicht schauen zu können.
Es hätte lächerlich wirken müssen, aber das war nicht der Fall, zumindest nicht für Grit, denn sie sah den quer auf der Stirn liegenden Löffel mit anderen Augen an. Für sie war einfach nicht faßbar, was dort abgelaufen war. Celia bestand schließlich nicht aus aufgeladenem Eisen, sie war etwas völlig anderes. Äußerlich normal, ein wunderbarer Mensch, eine Frau, eine Tochter, ein Wesen, das aus Fleisch und Blut bestand. Tatsächlich nur daraus? Allmählich kamen der Frau Zweifel, und es kostete sie schon Überwindung, auf Celia zuzugehen. Sie wollte und mußte ihre Tochter einfach anfassen, um möglicherweise durch diese Berührung herauszufinden, was tatsächlich passiert war.
Celia trug ein zweites Kleid aus Metallteilen. Auch die Kleidung hatte die einzelnen Besteckteile von ihrer Haftung nicht abhalten können. Dieser Anzug aus Metall schien sich nicht mehr verändern zu wollen. Zudem traf Celia keine Anstalten, selbst etwas dagegen zu unternehmen, denn sie blieb einfach stehen. Ihre Mutter suchte Blickkontakt. Celias Augen waren anders geworden. Die Pupillen hatten den Glanz verloren. Sie wirkten so grau wie Gußeisen und sahen häßlich aus.
Es war ihre Tochter, und es war sie trotzdem nicht. Grit fühlte sich in einer Klemme, die Furcht drückte ihr den Magen zusammen, und sie traute sich kaum, so nahe an Celia heranzugehen, wie es sich gehört hätte.
Zuerst wollte sie mit ihr sprechen. Celia mußte ihr eine Antwort geben, vielleicht eine Erklärung. Ihr Mund war frei. Eines der
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