0989 - Das Erbe der Fremden
Hintergrund sah ich die anderen Disco-Gäste, die zu Statuen geworden waren und zuschauten.
Die Flasche hielt ich fest. Ich hatte sogar Zeit genug, um meine Waffe wieder einzustecken.
Aber der andere kämpfte.
Er löste sich nicht auf, auch wenn er dampfte. Sein Körper verlor an Festigkeit. Gleichzeitig verging auch die normale Form, denn er drehte sich zusammen, so daß er mich mehr an eine Spirale erinnerte, die sich von unten her in die Höhe wand.
Er bewegte sich weiter, dabei drehte er sich auf der Stelle. Das grüne Licht produzierte bei ihm keinen Schatten, denn Schatten und Körper war er selbst.
Ich folgte ihm, weil ich davon überzeugt war, daß ihn die Wand nicht weit vom Eingang entfernt stoppen würde.
Ein Irrtum.
Er prallte dagegen, nein, es war kein Aufprall, denn diese spiralförmige Gestalt hatte ihre dreidimensionale Form aufgegeben und war in einen anderen Zustand übergegangen.
Für ihn gab es keine Hindernisse. Die Wand war da, aber nicht mehr für ihn.
Der Körper drehte sich genau in dem Augenblick in das Hindernis hinein oder hindurch, als ich nach ihm greifen wollte. Ich stieß mir die Knöchel an der Wand, aber der Fremde war darin verschwunden.
Nur seine Kleidung lag vor meinen Füßen. Er selbst war eingetaucht in eine andere Welt, wo die irdischen Gesetze der Physik keinen Bestand mehr hatten.
Ob er überleben würde, war mir unklar, und irgendwo war es mir auch egal, denn sein Versprechen hatte er nicht in die Tat umsetzen können. Ein simpler Whisky hatte ihn davon abgehalten.
Als ich daran dachte, mußte ich lachen…
Es war die Erleichterung, die sich einfach freie Bahn verschaffen mußte. Ich wollte nicht mehr an der Wand stehen bleiben. Mit trottenden Schritten bewegte ich mich auf die Theke zu. Die Flasche hielt ich dabei in der rechten Hand und schlenkerte sie hin und her.
Whisky hatte die zweite Haut zerstört. Ich kam noch immer nicht damit zurecht. Es war einfach unglaublich, aber es hatte keinen Sinn, näher darüber nachzudenken und nach irgendwelchen Lösungen zu suchen. Ich mußte es hinnehmen und war froh darüber.
Am Handlauf hielt ich mich fest und amtete tief durch. Dann stellte ich die Flasche auf die glatte Fläche und merkte doch, wie ich innerlich vibrierte. So einfach ließ sich die Aufregung nicht löschen.
Vielleicht mit einem Schluck Whisky, den ich direkt aus der Flasche nahm. Was mir in diesem Fall gut tat, hatte bei diesem Fremden etwas anderes bewirkt. Die Haut des anderen mußte aus einem höchst sensiblen Material bestehen. Hauchdünn, zwar widerstandsfähig in anderen Welten, aber nicht in unserer Sphäre.
Ich stellte die Flasche ab, schaute nach vorn und nahm erst jetzt die sprachlose und staunende Yvonne wahr, die wohl sprechen wollte, es aber nicht konnte, weil ihr einfach die Worte fehlten, denn so etwas hatte sie noch nie erlebt.
»Danke«, sagte ich. »Du hast mir sicherlich das Leben gerettet, Yvonne.«
Zuerst reagierte sie nicht. Dann fing sie an zu lachen, um sich von einem Druck zu befreien. Schließlich schüttelte sie den Kopf und fragte: »Was war das denn?«
»Einer, der keinen Whisky vertragen konnte«, erwiderte ich.
Sie strich über ihre Kegelfrisur. »Scheiße«, sage sie und bekam eine Gänsehaut. »Ich habe schon viele Typen erlebt, die wenig vertragen können, aber was da passiert ist, will mir nicht in den Kopf. Oder habe ich schiefe Augen?«
»Wieso?«
Sie fragte nicht mich, sondern die Gäste, die sich um mich herum am Tresen versammelt hatten. »He, ihr habt es doch auch gesehen, nicht? Ihr habt gesehen, wie sich der Typ auflöste. Wie er sich so richtig zusammendrehte und durch die Wand huschte. Oder bin ich blöd?«
Darauf gab man ihr keine Antwort. Auch wenn es mehrere Zeugen gegeben hatte, so recht glauben wollte es niemand. Deshalb hoben die meisten auch ihre Schultern.
Damit war Yvonne nicht zufrieden. »Nicht?« rief sie. »Verdammt noch mal, ich bin doch nicht blind!«
Ich umfasste ihre rechte Hand und zwang Yvonne dazu, mich anzuschauen. »Keine Panik, bitte! Sei einfach locker und nimm es hin.«
»Was denn?«
»Alles.«
»Das ist doch Quatsch«, keuchte sie. »Nein, das bringe ich nicht. Das werde ich nie vergessen.«
»Egal wie. Es ist vorbei. Es gibt ihn nicht mehr. Er hat sich soeben zurückgezogen.«
»Du willst ein Bulle sein?« flüsterte sie. Dabei ballte sie die Hände.
»Gibst du dich so leicht mit etwas zufrieden? Sonst fragt ihr doch auch immer nach.«
»Das stimmt. Aber das
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