0991 - Der Kopf des Vaters
Mittelfinger gegen die dünne Haut. »Dort ist die Wunde, John. Da hat ihn das verdammte Horn erwischt, und er hatte nicht die Spur einer Chance, das kann ich dir sagen. Nicht die Spur. Er muß wohl an seinem eigenen Blut erstickt sein, etwas anderes kann ich mir nicht denken.« Tief atmete der Inspektor durch.
»Es tut mir so verdammt leid.«
Ich ging an ihm vorbei und schaute mir den Toten genauer an. Es war der Leiter dieser Truppe, und seine Männer, die von der Flucht des Schädels aufgeschreckt waren, hielten sich in der Nähe auf. Sie konnten nicht genau sehen, was dä geschehen war, aber sie bekamen mit, daß sich ihr Chef nicht mehr regte.
Ich sah ihn besser.
Bei der Betrachtung der Wunde stieg ein wahnsinniger Haß in meinem Innern hoch. Der Schädel war zu einem Killer geworden, und ich glaubte nicht daran, daß es bei diesem einen Opfer bleiben würde, sollte es nach ihm gehen.
Wir mußten unter allen Umständen verhindern, daß es zu weiteren Bluttaten kam, aber wo sollten wir anfangen, nach ihm zu suchen?
Die Feuerwehrmänner ließen sich nicht mehr zurückhalten. Sie bestürmten mich mit Fragen. Drei große Lichtkegel aus Taschenlampen strahlten gegen den am Boden liegenden Toten. Ihr bleiches Licht war schlimm und ließ jedes Detail erkennen.
Den Fragen entging ich zunächst, indem ich meinen Ausweis präsentierte.
»Wir können ihm nicht mehr helfen«, sagte ich, »aber wir können seinen Mörder jagen.«
»Und wer hat es getan?« fragte ein bärtiger Mann aus der Runde.
Ich verdrehte die Augen und schaute zum Himmel.
»Was? Dieses glühende Etwas?«
»Ja.«
»Wie ist das möglich, verflucht! Wie kann so etwas überhaupt geschehen? Sagen Sie uns das und…«
»Wir wissen es nicht.«
Der Frager streckte seinen Arm aus und deutete schräg zu Boden.
»Aber es ist doch etwas unter den Brandresten hervorgekrochen, nicht wahr?«
»Ja, das scheint mir so zu sein.«
Der Mann wurde bleich. »Was hat das Feuer überstanden? Was ist so mächtig, daß ihm sogar die Flammen nichts ausmachen? Was, verdammt noch mal!«
»Wir wissen es nicht genau«, gab ich zu und stöhnte dabei auf. »Ich kann Ihnen nur soviel sagen, daß die Gefahr mittlerweile gebannt ist. Und ich glaube auch nicht, daß sie so schnell wieder zurückkehren wird. Damit müssen Sie sich leider abfinden, so schwer es Ihnen sicherlich auch fallen wird.«
»Ja, das müssen wir wohl«, flüsterte der Sprecher und wischte über seine nassen Augen. »Ich weiß nur nicht, wie wir es seiner Frau und den drei Kindern beibringen sollen. Sie sind alle noch sehr jung.« Er schluchzte und ging weg.
Suko und ich blieben neben dem Toten stehen. Auch uns war zum Heulen zumute. Wir fühlten uns eingepackt in eine zweite Haut, und unsere Blicke glitten über den kalten, stinkenden Brandherd hinweg ins Leere. Wieder einmal hatte uns die andere Seite bewiesen, wie stark sie tatsächlich war, und wir hatten das Nachsehen.
Suko war zur Seite getreten, um etwas Ruhe zu haben, weil er telefonieren wollte. Die Kollegen der Mordkommission mußten kommen, wieder einmal. Diesmal würde die Leiche nicht verschwunden sein, wie es schon einmal geschehen war. Im Käfig der Hyänen hatte ich sie entdeckt.
»Sie können hier nichts mehr tun«, sagte ich zu den Männern. »Das ist allein unsere Sache.«
»Sie informieren uns, wenn Sie einen Erfolg gehabt haben?« erkundigte sich der Sprecher.
»Natürlich.«
»Danke.« Er nickte und ging zu seinen Kollegen zurück. Ich ließ sie fahren. Als Zeugen wurden sie nicht gebraucht, da waren wir die besseren Beobachter gewesen.
»Sie kommen«, sagte Suko und verzog die Lippen.
»Warum grinst du?«
»Unser Freund kommt.«
»Bethlehem?«
»Ja, so heißt er wohl, obwohl ich wieder Nazareth zu ihm gesagt habe. Da war er sauer.«
Ich winkte ab. »So etwas soll uns nicht weiter stören. Hier scheint mir die Sache erledigt zu sein.«
»Aber sie läuft weiter.«
»Sicher, Suko, wir müssen ihr nur auf den Grund gehen und an die Basis herankommen.«
»Spanien?«
Ich nickte und kam auf Jane Collins zu sprechen, die mit Julias Mutter hatte sprechen wollen. Wahrscheinlich hatte sie von ihrem Wagen aus angerufen. Ich machte mich auf den Weg, während mir Suko folgte.
Abgesehen von den kleinen Kindern hielt sich wohl kein Zirkusmitglied in seinem Wagen auf. Die Erwachsenen standen herum, sie schauten mich an, und ich blickte in die bleichen Gesichter, in denen noch immer der erlebte Schrecken zu lesen war. Manche
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