0991 - Der Kopf des Vaters
Carina Sargasso nicht ganz so unschuldig war, sondern ebenfalls mitgemischt hatte.
Sie wartete und schaute dabei nach links, wo Julia saß. Auch sie war gespannt.
Ihre Gesichtshaut hatte sich gestrafft. Sie hielt den Mund geschlossen, die Hände zu Fäusten geballt und sah so aus, als wünschte sie sich, daß niemand abheben würde.
Pech gehabt.
Jane hörte plötzlich die Stimme, die ziemlich leise klang und einfach nur »Si« sagte.
»Sind Sie es, Mrs. Sargasso?«
»Wer ist da?«
Die Frau hatte jetzt englisch gesprochen und bekam von Jane eine Erklärung.
»Ich bin eine Freundin Ihrer Tochter Julia. Sie hat mich gebeten, Sie anzurufen und…«
»Tatsächlich?«
»Sicher, sonst…«
»Warum hat sie das getan? Warum telefoniert sie nicht selbst mit mir? Mist!«
Julia hatte die Antwort verstanden, denn die Stimme war laut genug gewesen. Um zu dokumentieren, daß sie es auf keinen Fall wollte, hob sie beide Arme, schwenkte sie und schüttelte den Kopf.
Jane nickte. Sie hatte verstanden, aber sie war auch unangenehm berührt, denn Carina Sargassos Stimmte hatte nicht eben freundlich geklungen. Eher hart und unbarmherzig. Zudem rauh, beinahe wie die eines Mannes.
»Sie ist verhindert.«
»Ha, ha, ha - das dachte ich mir.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Nur so.«
Jane wollte mehr aus dieser Frau herauskitzeln und sagte: »Ihre Tochter hat sich über das Geschenk gewundert, das Sie ihr zugeschickt haben. Dieses Paket. Sie wissen sicherlich Bescheid.«
»Müßte ich das denn?«
»Haben Sie es nicht geschickt?«
»Kann sein.«
»Was ist mit Ihrem Mann, Mrs. Sargasso?«
»Wieso? Was soll mit ihm sein?«
»Kann ich ihn sprechen?«
Nach dieser Frage zuckte Jane zusammen, denn das Lachen erwischte sie völlig unvorbereitet, es raste durch ihr Ohr. Die Frau konnte sich kaum beruhigen, und sie hörte auch nicht auf, als Jane eine Frage stellte.
Aber sie legte auf.
Nichts war mehr zu hören. Carina Sargasso wollte nicht mehr reden.
Jane Collins war wütend. Das Handy warf sie nicht aus dem Fenster, sie drehte sich nur nach links, um mit Julia zu reden, die aber hockte wie eine Betende neben ihr. Die Hände gegen das Gesicht gepreßt. Sie weinte.
Es war besser, wenn Julia jetzt in Ruhe gelassen wurde, denn auch Jane war der Meinung, daß ihre Mutter so reagiert hatte, als wäre sie in das Grauen eingeweiht worden. Sie konnte sich sogar vorstellen, daß Carina Sargasso ihrem eigenen Ehemann den Kopf abgeschlagen hatte.
Schließlich ließ Julia die Hände sinken. Mit fahrigen Bewegungen wischte sie über das schmutzige Gesicht und durch die Augen. Sie schien nicht Herrin ihrer eigenen Gedanken zu sein, schüttelte den Kopf und starrte ansonsten gegen ihre Knie.
Jane wollte sie schon ansprechen, als Julia den Mund öffnete und von selbst redete. »Ich habe alles gehört«, sagte sie tonlos und monoton.
»Ja, ich habe alles gehört und weiß nun auch über meine Mutter genau Bescheid.«
Die Detektivin wollte ihr eine Brücke bauen und antwortete: »Nein, das ist nicht sicher, Julia. Uns fehlen die Beweise. Okay, sie hat sich nicht eben perfekt verhalten oder so, wie du es dir vielleicht vorgestellt hast, aber es kann auch andere Gründe für ihr Verhalten geben. Du solltest den Stab nicht über sie brechen.«
»Ich spüre es, Jane. Ich weiß es sogar. Ich bin ihre Tochter, und ich kenne sie lange genug. Sie weiß mehr, sie weiß sogar viel mehr, und wahrscheinlich ist sie sogar die Schuldige.«
»Das wird sich noch herausstellen. Wir sollten nicht so voreilig mit der Verurteilung sein.«
»Das sagst du nur so.« Julia legte den Kopf zurück. Sie hatte Mühe, sich zusammenzureißen, bisher jedenfalls hatte sie es geschafft. Auf dem Beifahrersitz erlebte sie den Zusammenbruch. Da kam vieles zusammen, nicht nur der Anruf, auch das zuvor Erlebte, der Verlust ihrer persönlichen Existenz.
Es war gut, daß Julia Sargasso nicht allein war. So konnte ihr Jane Trost spenden.
Aber auch sie zuckte plötzlich zusammen und horchte auf, als sie bestimmte Geräusche vernahm.
Schüsse!
***
»Ich bin nicht davon überzeugt, daß wir noch Spuren finden«, meinte Suko. »Der ist einfach zu schlau und wird sich zurückgezogen haben, um aus dem Verborgenen zuzuschlagen, denn das traue ich ihm durchaus zu, John.«
Ich hob die Schultern. »Was ich ihm zutrauen soll oder was nicht, darüber kann ich dir nichts sagen. Wir kennen ihn einfach zu wenig.«
»Aber du glaubst daran, daß er nicht verbrannt ist und sich nur
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