0997 - Blut für den Götzen
jeden Tag, aber das wäre mir einfach aufgefallen. So abgebrüht war er nicht. Dafür liebte er seine Familie einfach zu sehr.
Und jetzt das…
Ich kam damit nicht zurecht, aber ich würde bald Klarheit erhalten, das stand fest.
Die Gegend war ruhiger geworden. Der Autoverkehr hielt sich in Grenzen, und ich mußte noch um zwei Ecken biegen, um das Ziel zu erreichen.
Die Conollys lebten in einer ruhigen Straße. Den Weg kannte ich im Schlaf. Wie oft war ich zu ihnen gefahren. Oft ruhig und normal, dann wieder in Eile, Hetze und Angst.
Diesmal war es noch anders. Nicht daß ich zitterte, aber ich konnte mir meine Reaktion auch nicht vorstellen, was ich sagen oder unternehmen würde, wenn Sheila mir die volle Wahrheit sagte und mir eben alles erklärte.
Das Tor stand offen. Natürlich, Sheila erwartete mich voller Ungeduld. Ich lenkte den Wagen auf das Grundstück, in dem nicht nur die normalen Außenleuchten ihr Licht abgaben, sondern auch noch die weihnachtliche Beleuchtung strahlte.
Zwei hohe Tannen waren mit Lichterketten geschmückt worden, so daß der Garten aussah wie eine Szene aus dem Bilderbuch.
Ich rollte den Weg hinauf. Hinter den Bungalowfenstern sah ich Licht. Links des Hauses war die große Doppelgarage angebaut worden. Davor war Platz genug, um zwei Wagen abstellen zu können. Ich parkte und stieg aus.
Als ich mit schnellen Schritten auf die Haustür zueilte, entdeckte ich Sheila. Sie stand im Licht.
Obwohl ich sie noch nicht erreicht hatte, sah ich, daß es ihr alles andere als gutging. Ihr Gesicht sah verweint aus. Zusätzlich machte sie einen geschafften Eindruck. Die Frisur war zerwühlt.
Kaum war ich zwei Schritte von ihr entfernt, da stieß sie sich vom Türrahmen ab, starrte mich für einen Moment irgendwie fassungslos an und warf sich mir dann entgegen.
Ich fing sie auf.
Ich hörte ihr Schluchzen und spürte, wie Sheila am gesamten Körper zitterte. Sie sagte nichts, sie wollte einfach nur festgehalten werden und die Wärme eines anderen Menschen, eines Freundes, spüren.
Einige Zeit ließ ich verstreichen, bevor ich Sheila zurückdrückte und dafür sorgte, daß sie das Haus betrat. Sie ging wie eine Betrunkene, und sie hatte auch eine ordentliche Cognacfahne.
Dann schloß ich die Tür. Sheila lehnte an der Wand. Sie strich mit einer müden Bewegung durch ihr Haar, als wollte sie es richten, aber das war nicht mehr möglich.
Ich legte ihr meine Hand auf die Schultern. »Komm, laß uns ins Wohnzimmer gehen.«
Sheila nickte nur und ließ sich von mir führen. Ich hakte sie unter, als wir auf die offenstehende Tür zugingen. Sheila hielt den Kopf gesenkt, auf der Stirn lag ein Faltenmuster. So sah jemand aus, der große Probleme hatte.
Die Cognacflasche stand auf dem Tisch. Daneben stand ein Schwenker, in dem noch ein letzter Rest schimmerte. Sheila ließ sich von mir in den Sessel helfen.
Mein Blick fiel in den geräumigen Garten, wo ebenfalls Bäume mit Lichtern geschmückt waren.
Das alles kam mir in dieser Situation so irrsinnig dumm vor, so fremd, wie aus einer anderen Welt.
Es gehörte einfach nicht hierher.
Auch ich setzte mich. Ich hatte ihr gegenüber meinen Platz gefunden und konnte sie anschauen.
Sheila hatte den Oberkörper leicht nach vorn gebeugt, die Augen offen, aber ich war sicher, daß sie nichts bewußt wahrnahm.
Ich räusperte mich. Es war ein Geräusch, auf das Sheila reagierte, denn sie schaute hoch.
»Ist es wahr?« fragte ich. Sie nickte nur.
»Okay, du willst dich also von Bill scheiden lassen.«
Einen Moment nur zögerte sie, dann gab sie mir die Antwort. »Ich will - und ich muß.«
»Akzeptiert, Sheila. Aber ich denke, daß du dafür auch deine Gründe haben wirst.«
»Sicher.«
»Und die wären…?«
»Es liegt an Bill. Es liegt einzig und allein an ihm, John. Er ist der Schuldige.«
Das konnte ich mir zwar nicht vorstellen, aber ich fragte trotzdem nach und gab meiner Stimme eine gewisse Lockerheit. »Was hat er denn so Schlimmes getan?«
Sie hob die Schultern.
»Nichts?«
Plötzlich fauchte sie mich an und sah so aus, als wollte sie mir an die Kehle springen. »Männer, verdammt noch mal! Das ist typisch. Männer sind doch alle gleich.«
»Na ja…« Ich war etwas verunsichert und wußte noch immer nicht, auf was sie hinauswollte. »Was ist denn nun passiert? Willst du mir das nicht sagen?«
»Doch, werde ich!«
»Gut.«
Sheila funkelte mich an. »Mein Mann und dein Freund hat mich betrogen. Ich bin eine betrogene Ehefrau, und
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