0997 - Blut für den Götzen
die plüschige Atmosphäre, die schmale Tür zum Bad, die Musikanlage, all das gehörte zur Ausstattung der Zimmer, ebenso der Fernseher mit dem Videogerät, denn viele Kunden wollten bei ihren Aktivitäten entsprechende Filme sehen.
Laura Keller schaute nicht in die Glotze. Sie saß auf dem Hocker vor dem größten Spiegel an der Wand, der golden und protzig aussah, aber ein Duplikat war aus dieser galanten Epoche Frankreichs, wo dieses Etablissements häufig von betuchten Herren besucht worden waren, denn schon immer hatte man für Geld fast alles kaufen können.
Laura bürstete ihr Haar. Eine dunkle Flut, die von den Borsten durchstreift wurde. Sie machte diese Bewegungen automatisch, denn ihre Gedanken waren ganz woanders. Sie sah nicht mal ihren Körper, der sich im Spiegel abzeichnete. Er war durch den offenstehenden Morgenmantel nur unvollständig bedeckt. Auf ihre Brüste war Laura stolz. Trotz enormer Fülle hingen sie nicht. Sie standen aufrecht, waren voll und prall, und die Warzen schimmerten wie dunkle Knospen.
Ihre Gedanken irrten weg. Sie beschäftigten sich nicht direkt mit der eigenen Person, aber Laura stellte fest, daß ihre Furcht gewachsen war und sich mittlerweile zu einem bedrückenden Gefühl der Angst ausgeweitet hatte.
Sie war dem eigentlichen Ziel näher gekommen. Sie hatte es fast geschafft. Sie stand schon kurz vor der Schwelle, aber sie spürte auch, daß es gefährlich werden konnte, sogar tödlich.
Die Frau hatte sich auf ein Spiel eingelassen, das irgendwann Grenzen sprengte, wo ihr kaum noch jemand helfen konnte, selbst Bill Conolly nicht, der sicherlich schon auf sie wartete, dem sie sich anvertraut hatte. Hier ging es um unbegreifliche Dinge, um den Schrecken an sich, um etwas, das so grausam war, daß man es kaum fassen konnte und auch nicht hinter dieser Fassade vermutete.
Es war nicht gut. Auf keinen Fall. Und sie konnte in Teufels Küche geraten, wenn sie die Lanze noch tiefer in die Wunde hineinstieß. Aber steckte sie nicht bereits sehr tief drin, so daß es ihr nicht mehr möglich war, sie herauszuziehen? Sie würde den Weg der Bitternis gehen müssen. Was einmal in Bewegung geraten war, ließ sich so leicht nicht mehr stoppen.
Noch zweimal zog sie die Bürste durch ihre dunkle Haarflut, dann legte sie das Instrument zurück auf den Tisch und betrachtete sich im Spiegel.
Wäre jetzt jemand in ihr Zimmer gekommen, um sie an die Hand zu nehmen und hinauszuführen, sie hätte diese Hilfe sofort angenommen. So aber blieb sie allein mit ihren Sorgen, ihren Bedenken und ihrer Angst.
Wirklich allein?
Seit einiger Zeit war sich Laura Keller nicht mehr so sicher. Sie fühlte sich beobachtet, auch wenn sie keinen Menschen sah, der sich in der Nähe aufhielt. Es war etwas vorhanden. Etwas Gefährliches, etwas Fremdes, das sie nicht fassen und noch weniger begreifen konnte. Nur lauerte es in ihrer Umgebung, und davon ließ sich Laura Keller nicht abbringen. Allerdings wollte sie sich auch keine Vorwürfe machen, denn sie hatte es nicht anders gewollt. Sie allein war in dieses Haus gekommen, und sie hatte von dem Risiko gewußt.
Laura seufzte, hob den Kopf an, legte ihn zurück und schüttelte ihr Haar aus. Dann stand sie auf.
Es war Zeit, sich fertig zu machen. Bill wartete sicherlich schon auf sie. Die »Berufskleidung« lag auf dem Bett. Netzstrümpfe, fein gewoben. Sie trug Strapse zum kurzen, engen Mieder, aus dem die Brüste halb hervorquollen, als sie es anlegte. Dann strich sie mit ihren Fingern über die dunklen Strümpfe und lauschte dem leisen Knistern.
Die Strümpfe wurden an den Strapsen befestigt. Es gab Mädchen, die nackt nach unten gingen, dazu gehörte Laura nicht. Die Schranktür stand offen, und sie konnte unter verschiedenen Outfits wählen.
Laura entschied sich für das kleine Schwarze. Ein Kleid, das sehr sexy machte und entsprechend kurz war, so daß die langen Beine deutlich zur Geltung kamen, die Strapse aber verdeckt waren, zumindest wenn sie stand.
Sie schaute sich um, als sie den kühlen und dünnen Kleiderstoff zurechtstrich.
Der Eindruck, beobachtet zu werden, hatte sie nicht verlassen. Laura Keller kannte es, und sie hatte auch schon ihr Zimmer nach alten und modernen Überwachungsmethoden abgesucht, aber sie nicht gefunden. Kein Loch in der Wand, keine elektronische Überwachungskamera.
Auf ihr Gefühl hatte sich Laura bisher immer verlassen können. Gerade in der letzten halben Stunde war es so stark und auch so schlimm wie nie
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