0997 - Straße der Psychode
die Wagenkanzel zurück und schaltete den Suchscheinwerfer aus. Die Psychode leuchteten trotzdem weiter, erstrahlten in einem noch viel schöneren Feuer.
Auf einmal schlich sich jedoch etwas in die zaüberhafte Parusie und verdrängte sie immer mehr.
Geh! Geh! glaubte Gail eine wesenlose Stimme zu hören.
Empfing sie die Impulse von den Psychoden?
Geh! Du gehörst nicht hierher, ging die Sendung weiter. Verlasse diesen Ort, ehe es zu spät ist.
„Ich gehöre sehr wohl hierher!" rief Gail und hörte ihre Worte als vielfaches Echo widerhallen. Sie wollte noch mehr sagen, um die Schöpfer dieser einmaligen Kunstwerke davon zu überzeugen, daß sie sehr wohl reif war, die Straße der Psychode entlangzugehen.
Aber auf einmal versehloß ihr eine unsichtbare Kraft den Mund. Dieselbe Kraft wandelte sich etwas und zwang sie zum Umkehren. Sie mußte zu ihrem Wagen zurück, ob sie wollte oder nicht, und konnte nicht einmal den Kopf wenden.
Sie stieg in den Wagen und startete ihn. Das übernatürliche Licht der Psychode - besehien ihr Gesicht, sie badete darin. Sie fuhr den Wagen an, wollte ihn wenden - alles auf Befehl der Macht, die von den Psychoden ausging.
Doch gerade als sie den Wagen herumlenkte, erlosch die Macht. Gleichzeitig explodierte eines der Psychode - und dann ein weiteres. Eine ganze Reihe von ihnen erloschen einfach, ohne Laut und ohne Entladung.
Gail schrie.
Ein Psychod schoß senkrecht in den Nachthimmel hinauf und barst dort wie ein Feuerwerkskörper. Es regnete feurige Brocken über das Tal. Diese ließen Fels und Sand schmelzen und entzündeten die Pflanzen, ließen sie lichterloh brennen und verkohlen.
Wieder schrie Gail. Der Morphling kam zu sich und sprang sie an. Die beiden rangen miteinander. Dabei ging die Fahrertür auf, und sie fielen beide hinaus in den Sand.
Gail spürte ein Feuer in sich, das sie zu verzehren schien. Ihr war, als würde nun mit ihr geschehen, was soeben mit den Psychoden passiert war.
„Ich habe es nicht getan!" rief sie und hämmerte auf den Morphling ein. „Du! Du!" rief sie anklagend, als sei er für die Zerstörung der paraplasmatischen Wunderwerke verantwortlich. Und immer wieder: „Du! Du!"
Etwas zerrte unerbittlich an ihr und löste sie von dem Morphling. Gail merkte au feinmal, daß der Druck auf ihren Geist wie weggeblasen war. Ihr Blick klärte sich, und sie sah über sich Jen Salik. Sie mußte ihn wie einen Geist angestarrt haben, denn er sagte beruhigend: „Du träumst nicht, ich bin wirklich."
Sie wunderte sich nicht über das vertraute Du, sie nahm es einfach hin.
„Warst du es, der die Psychode zerstört hat?" wollte sie wissen.
„Es gibt sie", sagte Salik sanft. „Die Straße der Psychode,’den Meistergeist der Zwotter. Aber das hier war nichts anderes als das Blendwerk eines Trodar-Trägers. Ich habe ihn zerstört."
Gail Bedomo wurde es schwarz vor Augen, und im Hinüberdämmern fragte sie sich, ob sie das alles wirklich erlebte.
6.
Gail wurde durch das Rumpeln des Wagens geweckt.
Sie öffnete die Augen und stellte fest, daß sie sich im Vermessungsraum befand und auf dem Notbett lag.
Die Fenster waren abgedunkelt, nur durch ein Oberlicht fiel goldenes Tageslicht.
„Du hast eine Nacht, einen Tag und die folgende Nacht durchgeschla-fen", sagte eine melodiöse Stimme.
Gail wandte sich dem Sprecher zu und erkannte einen Zwotter.
„Vasnizza?" fragte sie.
„Stimmt", bestätigte die Zwotterfrau, die sie als Morphling kennengelernt hatte. „Ich hätte den Wechsel schon längst vollziehen können, aber ich zögerte ihn bewußt hinaus."
„Warum?" erkundigte sich Gail und richtete sich auf. Sie langte zum Schaltpult und hob die Verdunkelung der Seitenfenster auf. Trotz der Aufhellung war nicht viel zu sehen, denn die Atmosphäre war so von feinem Sandstaub durchsetzt, daß die Sicht keine fünfzig Meter betrug. Aber sie stellte fest, daß sie durch hügeliges Gelände fuhren. Aus den sandverwehten Senken ragten vereinzelt Riesenkakteen auf.
Der Antrieb heulte auf, als das Karussellgetriebe eingeschaltet wurde. Der Vermessungswagen drehte sich einige Male um seine Achse und schraubte sich so aus dem Treibsand. Dann fuhr er wieder normal weiter.
Gail wandte sich der Zwotterfrau zu.
„Warum hast du deine Frauwerdung hinausgezögert?" fragte sie. „Und kannst du das so ohne weiteres?"
„Viele von uns können das", sagte Vasnizza und nickte bestätigend mit ihrem großen Kopf. „Wir Zwotter sind überhaupt ganz anders,
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