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0998 - Die Welt der verlorenen Kinder

0998 - Die Welt der verlorenen Kinder

Titel: 0998 - Die Welt der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Hände, sondern auch die Arme, aber sie waren weiterhin vom Wasser bedeckt, und sie schienen auch unterhalb der Oberfläche zu zerlaufen, bedingt durch den Schlag der Wellen, die sich noch immer nicht beruhigt hatten und deshalb auch das noch stärker verzerrten, was sich unterhalb der Arme befand.
    Das mußten Körper sein, die sich allerdings zu weichen Schatten auflösten.
    Körper von Kindern, von toten Kindern, die sich in diesem dunklen Gewässer befanden. McCormick ging davon aus, obwohl er sie selbst nie gesehen hatte. Aber in diesem Teich versteckte sich das Grauen, das erlebte er nicht zum erstenmal. Auch in den Nächten zuvor hatte er es gesehen und durchlitten.
    Auf seinem Körper hatte sich eine Gänsehaut gebildet. Sie lag da wie aufgepinselt, und sie wich auch in den nächsten Sekunden nicht. Für McCormick zog sie sich in die Länge, obwohl die Zeit völlig normal ablief.
    Noch immer schauten die Arme aus dem Wasser. Die Hände ebenfalls, und sie bewegten sich. Sie schwangen nach vorn, dann wieder zurück, und sie sahen aus, als wollten sie dem einsamen Mann zuwinken und ihn um Hilfe bitten, damit er dafür sorgte, daß sie aus dem Wasser kamen. Hingehen, anfassen, sie hochholen. Die toten Körper aus dem Wasser ziehen, denn es mußten mehrere sein, auch wenn sich die hellen Schatten in der Tiefe nicht in die Höhe drängten.
    Brett McCormick blieb stehen, als wollte er diesen Platz des leisen Grauens nie mehr verlassen. Sein Blickfeld wurde von der Oberfläche des Teichs eingenommen, und er spürte, wie er am gesamten Körper bebte, was sich allerdings nicht nach außen hin übertrug, es blieb in seinem Innern.
    Er wußte, wie es weiterging. Der sanfte Schrecken war noch nicht beendet.
    Er würde sich ausbreiten, und er würde auch ihn erfassen. Auch in dieser kalten Nacht veränderte sich nichts. Die Unruhe auf der Oberfläche blieb, die Wellen schlugen, und er hatte den Eindruck, als wollten sie ihm eine Botschaft zusenden.
    Er hörte sie.
    Sie klang in seinem Kopf auf.
    Schreie!
    Oder?
    McCormick war plötzlich durcheinander. Er wußte nicht, ob es Schreie oder klagende Laute waren. Jedenfalls bekam er die Laute mit, die durch seinen Kopf jagten, die nicht so störend wegen ihrer Lautstärke allein waren, die aber als jammernde Botschaft durch seinen Kopf flössen und ihn immer stärker malträtierten.
    Kinderlaute!
    Schreckliches Jammern, furchtbares Leiden. Schreie, die er aufnehmen mußte, gegen die er sich nicht wehren konnte. Sie waren nicht tatsächlich da. Tote können nicht schreien, nein, nicht mehr. Das jedenfalls hatte er sich eingeredet, aber das war auch eine Tatsache.
    Dennoch hörte er die jammernden Laute, und er dachte an den alten Fluch, an die düstere Vergangenheit, wo Menschen schreckliche Dinge getan hatten, über die man heute lieber nicht sprach, höchstens hinter vorgehaltener Hand.
    Jetzt waren sie wieder präsent. Er dachte daran, daß die Vergangenheit die Gegenwart eingeholt hatte und sie mit ihrem grauenvollen Fluch bedeckte.
    Sie schrien um Hilfe. Sie flehten um Gnade. All diese verzweifelten Kinder, und McCormick spürte plötzlich, wie seine Augen tränenfeucht wurden.
    Beinahe greifbar erlebte er das Grauen dieser fernen Zeit mit, und wieder schüttelte er den Kopf, als könnte er so die Botschaft loswerden.
    Es gelang ihm nicht. Er blieb wie festgewachsen auf der Stelle stehen.
    Er schien den Befehl bekommen zu haben, alles genau miterleben und durchleiden zu müssen.
    Brett McCormick wunderte sich über sich selbst, daß es ihm zu sprechen gelang. »Gott, lieber Gott, laß es vorbei sein. Laß mich nicht noch länger leiden - bitte…«
    Niemand hörte ihn. Auch die hellen Schatten nicht und ebenfalls nicht die Gestalt, zu der die aus dem Wasser ragenden, bleichen Hände gehörten, deren Haut oder Fleisch so aufgedunsen wirkte, als wollte es im nächsten Augenblick Blasen werfen. Er weinte lautlos.
    Er beweinte das Schicksal dieser Kinder, obwohl er sie nie gesehen hatte.
    Alles war früher passiert, vor sehr langer Zeit. Sie waren ihm fremd, aber in diesen Augenblicken doch so nah.
    Dann ebbte das Jammern ab. Es war wie immer. Die Stimmen schwangen zurück. Sie wurden leiser, immer leiser, bis sie nicht mehr zu hören waren, und McCormick sich auf die normalen Geräusche der Umgebung konzentrieren konnte.
    Er spürte wieder den leichten Wind. Er bekam die Kühle mit, aber das nur am Rande, denn als er sich konzentrierte, konnte er dem Klatschen der Wellen

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