1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
Erreichten.) Mit der Anmeldung beim Einwohnermeldeamt unseres neuen Wohnortes markierte ich meinen Start als Einzelunternehmerin.
Von den Kindern bekam ich schnell grünes Licht zu meinem Vorhaben, obwohl keiner von uns so richtig wusste, was uns erwarten würde. Aber wir hatten bereits einiges durchgestanden, und es würde sich schon irgendwie alles ergeben. Es konnte ja nicht schlimmer kommen – als Ausgangsbasis für die Selbständigkeit finde ich das rückblickend gar nicht so schlecht. Wir waren alle fünf das sparsamste Wirtschaften gewohnt und würden dies einfach weiterhin so handhaben.
Mama, in der Schule sollten wir unsere Mutter als Tier malen. Ich hab dich als Faultier gemalt.
Wie bitte?! Ich ein Faultier?!
Ja, Frau Klaas hat genauso komisch gefragt wie du. Ich musste das der ganzen Klasse erklären.
Und?
In Bio haben wir einen Film gesehen, da war eine Faultiermutter im Baum, in ihrem Bauchfell war ein ganz niedliches flauschiges Faultierchen festgekrallt, und die beiden haben da so ganz gemütlich im Baum gehangen. Dann ist das Faultierbaby plötzlich runtergefallen, weil der Baum so gewackelt hat, weil da sind Affen drin rumgeturnt. – Es ist platsch runter ins Wasser gefallen, und ich habe mich riesig erschrocken. Dann kam eine große Wasserschlange und wollte das Tierchen fressen. Ich hatte echt Angst. Und dann ist die Faultiermama vom Baum gesprungen, plumps ins Wasser, hat das Baby gerettet und hat der Schlange noch boing eins aufs Maul gegeben. Und dann hat man noch gesehen, wie die später ganz kuschelig im Baum gehangen haben und ihr Fell getrocknet haben.
Oh, Till, was für eine schöne Geschichte.
Ja, Mama, genau das hat Frau Klaas auch gesagt. Komisch, genau so. Und dann hat sie sich auch ein Taschentuch geholt, hier haste eins, Mama.
Neues Nest
D er mit Bedacht gewählte Ort für unser neues Leben war uns allen auf Anhieb sympathisch. Wir fuhren zwei Mal dorthin und schauten uns neugierig um. Wir recherchierten in Frage kommende Schulen für Jonas, Frieda, Till und Millie. Wir wurden bei der Kirchengemeinde vorstellig, wir schlenderten über den Bauernmarkt und vergnügten uns im riesigen Volkspark. Es schien genau der richtige Platz für uns zu sein.
Aber es gab ein Problemchen: die Wohnungssuche.
An meinem Status hatte sich natürlich nach wie vor nichts geändert: vierfache Mutter, alleinerziehend, keine feste Arbeit. Nicht gerade das, wovon Hausverwaltungen träumen. Ich hatte eine Wohnung im Auge, die optimal lag, damit Frieda, Till und Millie zu Fuß zur Grundschule gehen konnten und Jonas das Gymnasium mit dem Fahrrad erreichen konnte. Ich musste diese Wohnung bekommen, sie war bezahlbar, ich würde wie immer im Wohnzimmer schlafen, das ich tagsüber in mein Home-Office verwandeln würde, und die Jungens und die Mädchen hätten jeweils zu zweit ein Zimmer. Die Küche war so geschnitten, dass wir alle darin an unserem großen Tisch Platz haben würden. Jetzt bloß nichts falsch machen. Ich konzentrierte mich auf meine vermieterfreundliche Zweitidentität und schaffte es im sechsten Anlauf.
Der Vermieter, Herr Winschewsky, empfing mich in seinem Büro, nachdem die neuralgischen Punkte bereits am Telefon geklärt worden waren. Eine dürre Sekretärin mit Fußkettchen öffnete mir die Tür zum Büro, ich sah sie durch braune Butzenscheiben mit imitierten Regentropfen darauf auf mich zukommen. Aus dem Zimmer am Ende des Flurs klang Schlagermusik.
Herr Winschewsky saß hinter einem wuchtigen, mit grünem Filz bezogenen Gründerzeit-Schreibtisch und sah aus, wie man sich einen selbstzufriedenen Vermieter vorstellt, der seine handverlesenen Mieterschäfchen fest im Griff hat. In dem breiten Gesicht steckten die kleinen, beweglichen Äuglein in dunklen Höhlen, die auf eine Magenkrankheit hindeuteten. Seinen Wanst hatte er unter die mit Messing beschlagene Schublade geklemmt, das gab seiner Figur die Form einer riesigen Birne. Aus seinem kurzärmeligen Hemd wuchsen massige Unterarme heraus, die wie zwei dicke haarige Keulen auf dem Filz der Schreibtischoberfläche ruhten. Mit seinen großen Fingern drehte er permanent die obere Hülse eines dicken, schwarzen Kugelschreibers.
Aus unsichtbaren Dolby-Surround-Boxen schallte die Stimme eines schmalzigen Sängers, der vor lauter Erschütterung über die Schönheit seines eigenen Baritons am Ende der Liedzeile noch lange nachvibrierte.
»Na, dann wollen wir mal sehen. Siebzig Quadratmeter, in der Anemonenstraße. Stört Sie die
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