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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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getäuscht, einen weiteren Bauern geopfert und sogar – wie auch immer – jemanden hinzugezogen, der schon vor Urzeiten ins Zwielicht eingegangen war.
    »Was machst du denn hier?«
    Mein Herzschlag setzte wieder ein und fand seinen Rhythmus. Alles war so einfach, so unendlich einfach.
    Der ermordete Dunkle Magier war mein Namensvetter.
    »Mir ist da was aufgefallen. Jetzt brauch ich neue Anweisungen.«
    Der Wachmann runzelte die Stirn. Vermutlich stimmte meine Art zu sprechen nicht ganz. Trotzdem durchschaute er mich immer noch nicht.
    »Deinen Ausweis, Anton. Sonst kann ich dich nicht durchlassen, das weißt du selbst.«
    »Du bist verpflichtet, mich durchzulassen«, platzte ich auf gut Glück heraus. Bei uns in der Wache gelangt jeder zum Einsatzstab, der seinen Sitz kennt.
    »Weshalb das?« Er lächelte, doch seine rechte Hand wanderte langsam nach unten.
    Der Stab an seinem Gürtel war bis zum Anschlag aufgeladen. Ein beinerner Stab, kunstvoll aus einem Unterschenkelknochen geschnitzt, mit einem kleinen rubinroten Kristall an der Spitze. Ich brauchte nur herumzudrucksen, mich zu verschließen – und ein gewaltiger Kraftausstoß würde Panik unter allen Anderen um uns herum auslösen.
    Ich nahm meinen Schatten vom Boden auf und trat in die zweite Schicht des Zwielichts.
    Kälte.
    Nebel wallte auf, genauer, nicht Nebel, sondern Wolken. Über der Erde hängende feuchte schwere Wolken. Den Fernsehturm von Ostankino gab es hier nicht mehr, diese Welt hatte die letzte Ähnlichkeit mit der menschlichen eingebüßt. Auf wattigen Wolken, über aufgequollene Tropfen ging ich weiter, einen unsichtbaren Weg entlang. Die Zeit dehnte sich dahin – eigentlich fiel ich nämlich nach unten, doch so langsam, dass es nicht zu merken war. Hoch im Himmel leuchteten drei Monde, die als trübe Flecken den Wolkenschleier durchbrachen, ein weißer, ein gelber und ein blutroter. Vor mir entstand ein Blitz, der anschwoll, spitze Geschosse spie, sich durch die Wolken bohrte, eine verzweigte Furche in sie einbrannte.
    Ich trat an einen diffusen Schatten heran, der in quälendem Zeitlupentempo an seinen Gürtel griff, nach seinem Stab langte. Fing seine Hand ab, eine schwere, unnachgiebige Hand, kalt wie Eis. Die sich nicht aufhalten ließ. Ich musste mich losreißen, wieder rauf in die erste Schicht des Zwielichts und ein Handgemenge anfangen. Mit einigen Aussichten auf den Sieg.
    Licht und Dunkel, ich bin doch bloß Programmierer! Ich habe mich nie darum gerissen, an vorderster Front zu kämpfen! Lasst mich meine Arbeit machen, die ich beherrsche und liebe!
    Doch sowohl das Licht wie auch das Dunkel schwiegen, wie sie immer schweigen, wenn man sie anruft. Und nur eine amüsierte Stimme, die ab und an in jeder Seele erklingt, flüsterte: »Niemand hat dir eine saubere Arbeit versprochen.«
    Ich sah auf den Boden. Mein Füße standen zehn Zentimeter unter denen des Dunklen Magiers. Ich fiel, hatte jeden Halt in dieser Realität verloren, hier gab es keinen Fernsehturm und keine Analogien für ihn – es gibt keine derart dünnen Felsen, noch derart hohe Bäume.
    Wie gern hätte ich saubere Hände behalten, ein heißes Herz und einen kühlen Kopf. Doch aus irgendeinem Grund vertrugen sich diese drei Faktoren nicht. Unter keinen Umständen. Der Wolf, die Ziege und der Kohlkopf – wo ist der wahnsinnige Fährmann, der sie zusammen ins Boot nimmt?
    Und wo ist der Wolf, der, nachdem er die Ziege verschlungen hat, darauf verzichten würde, den Bootsmann zu kosten?
    »Gott weiß es«, sagte ich. Meine Stimme verlor sich in den Wolken. Ich ließ die Hand los, griff nach dem Schatten des Dunklen Magiers, diesem feuchten Fetzen, der sich im Raum auflöste. Zog ihn hoch, warf ihn auf den Körper und stieß den Dunklen in die zweite Schicht des Zwielichts.
    Er schrie auf, als die Welt ringsum den Anschein von Sicherheit verlor. Vermutlich hatte er noch nie die Gelegenheit gehabt, weiter als bis zur ersten Schicht ins Zwielicht einzutauchen. Die Energie für diesen Ausflug lieferte zwar ich, doch die Empfindungen waren ihm völlig neu.
    Indem ich mich auf die Schultern des Dunklen stemmte, drückte ich ihn nach unten. Und hastete selbst hoch, indem ich erbarmungslos auf den gekrümmten Rücken trat.
    Der Weg der Großen Magier nach oben führt immer über den Rücken anderer.
    »Du Schweeeiiin! Anton, du Schwein!«
    Selbst jetzt begriff der Dunkle nicht, wer ich war. Das würde er erst, wenn er den Kopf drehte – er, der er bereits ausgestreckt

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