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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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fuhr ich allein nach oben, genauer gesagt zusammen mit einer Frau vom Service.
    »Ich hatte mehr Leute erwartet«, sagte ich mit einem freundlichen Lächeln. »Ist es abends immer so leer?«
    »Nein, normalerweise geht es hoch her.« Die Frau gab mir zwar Auskunft, ohne sich irgendwie über meine Frage zu wundern, doch einen Hauch von Irritation nahm ich in ihrer Stimme wahr. Sie drückte den Knopf, die Doppeltüren schlossen sich. Schon im nächsten Moment spürte ich einen Schmerz in den Ohren und wurde zu Boden gepresst, während der Fahrstuhl mit rasender Geschwindigkeit und dennoch verblüffend sanft nach oben schoss. »Vor zwei Stunden hat sich hier alles geleert.«
    Vor zwei Stunden.
    Kurz nach meiner Flucht aus dem Restaurant.
    Wenn um diese Zeit der Einsatzstab im Turm eingerichtet worden war, wunderte es mich nicht mehr, dass Hunderte von Moskauern, die an einem klaren, warmen Frühlingsabend in dem Restaurant in den Wolken essen wollten, ihre Pläne von einer Minute auf die andere umgeworfen hatten. Selbst wenn uns die Menschen nicht sehen, spüren sie uns.
    Und obwohl sie mit alledem nicht das Geringste zu tun hatten, waren sie klug genug, den Dunklen nicht in die Quere zu kommen.
    Ich sah jetzt natürlich wie der Dunkle Magier aus. Blieb die Frage, ob diese Maskierung ausreichte. Der Wachmann würde mein Äußeres mit der Liste vergleichen, die seinem Gedächtnis übermittelt worden war, und alles würde passen. Außerdem würde er die Kraft spüren.
    Würde er dann noch tiefer graben? Würde er das Kraftprofil überprüfen, klären, ob es sich bei mir um einen Dunklen oder einen Lichten handelte und welchen Rang ich innehatte?
    Fünfzig zu fünfzig. Einerseits muss er das tun. Andererseits vernachlässigen Wachleute diese Pflicht immer und überall. Vielleicht langweilt er sich zu Tode, vielleicht ist er gerade zur Arbeit gekommen und platzt vor Eifer.
    Aber am Ende nahmen sich fünfzig von hundert sehr gut aus im Vergleich zu den Chancen, mich auf Moskaus Straßen sicher vor der Tagwache zu verstecken.
    Der Fahrstuhl hielt an. Noch nicht mal einen Plan hatte ich mir zurechtgelegt, das Ganze hatte nämlich nur zwanzig Sekunden gedauert. Wenn doch die Fahrstühle in normalen Hochhäusern genauso schnell wären.
    »Wir sind da«, meinte die Frau fast heiter. Anscheinend war ich einer der letzten Besucher des Fernsehturms in Ostankino.
    Ich betrat die Aussichtsplattform.
    Normalerweise wimmelte es hier von Menschen. Neuankömmlinge lassen sich auf den ersten Blick von denjenigen unterscheiden, die schon ein Weilchen hier sind: durch ihre unsicheren Bewegungen, die komische Vorsicht, mit der sie an das runde Fenster herantreten, die Scheu, mit der sie um die in den Boden eingelassenen Scheiben aus Panzerglas schleichen und mit der Zehenspitze ängstlich ihre Stabilität prüfen.
    Meiner Schätzung nach belief sich die Zahl der Besucher auf etwa zwei Dutzend. Kinder waren nirgends zu sehen, und aus irgendeinem Grund malte ich mir in aller Deutlichkeit aus, wie sie plötzlich einen hysterischen Anfall bekamen, sobald sie sich dem Turm näherten, wie perplex und wütend ihre Eltern darauf reagierten. Kinder spüren Dunkle weitaus besser.
    Auch die Besucher der Plattform wirkten verstört, niedergeschlagen. Sie fesselte nicht das Moskau, das sich unter ihnen erstreckte, in bunte Lichter getaucht, diese grelle, normalerweise so festliche Stadt, sei es auch ein Gelage in Zeiten der Pest, so doch ein schönes Gelage. Jetzt genoss niemand diesen Anblick. Der Atem des Dunkels herrschte über allem, unsichtbar selbst für mich, aber zu spüren, erstickend wie Grubengas, das keinen Geschmack hat, keine Farbe, keinen Geruch.
    Ich schaute auf den Boden, fand meinen Schatten und trat in ihn hinein. Ein Wachmann stand in meiner Nähe, nur zwei Schritt von mir entfernt, neben einer in den Boden eingelassenen Scheibe. Mit freundlichem, jedoch leicht irritiertem Blick musterte er mich. Im Zwielicht bewegte er sich nicht sehr sicher, woraus ich schlussfolgerte, dass für die Sicherheit des Einsatzstabs längst nicht die besten Kräfte abgestellt worden waren. Ein kräftiger junger Mann in streng geschnittenem grauen Anzug und weißem Hemd, mit einer Krawatte in gedecktem Ton – ein Bankangestellter, aber kein Diener des Dunkels.
    »Hallo, Anton«, sprach mich der Magier an.
    Eine Moment lang stockte mir der Atem.
    So dumm konnte ich doch nicht sein, oder? So grauenvoll, so fürchterlich naiv?
    Man hatte mir aufgelauert, mich

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