1 - Wächter der Nacht
dalag und als Halt für meine Füße diente –, wenn er den Kopf drehte und mir ins Gesicht sah. Denn hier, in der zweiten Schicht des Zwielichts, brachte mir die grobe Maskierung natürlich gar nichts. Er riss die Augen auf, röchelte kurz, heulte auf und klammerte sich an meine Beine.
Aber noch immer verstand er nicht, was ich tat und wozu.
Ich schlug ihn mehrmals hintereinander, trat ihm mit den Absätzen auf die Finger und ins Gesicht. Für einen Anderen ist das nicht so schlimm, aber es ging mir ja nicht darum, ihm körperlichen Schaden zuzufügen. Runter, runter mit dir, fall, knalle durch alle Realitätsschichten hindurch, durch die Menschenwelt und das Zwielicht, durch das nachgiebige Gewebe des Raums. Ich habe weder die Zeit noch die Fähigkeiten, um mich mit dir auf ein richtiges Duell nach allen Gesetzen der Wachen einzulassen – nach jenen Regeln, die für junge Lichte und ihren Glauben an das Gute und das Böse, an die Unzerstörbarkeit der Dogmen, an die Notwendigkeit der Abrechnung erarbeitet worden sind …
Sobald ich der Ansicht war, der Dunkle sei weit genug nach unten gestampft worden, stieß ich mich von dem breitgetretenen Körper ab, sprang in den kalten schlierigen Nebel und zog mich aus dem Zwielicht.
Direkt in die Menschenwelt hinein. Direkt auf die Aussichtsplattform.
Ich fand mich auf einer Glasplatte wieder, in der Hocke, schwer atmend, mit einem plötzlichen Hustenanfall kämpfend, klatschnass vom Kopf bis zu den Zehen. Der Regen der anderen Welt roch nach Salmiak und Asche.
Ein leichter Seufzer erklang ringsum – die Menschen machten einen Bogen um mich, wichen vor mir zurück.
»Alles in Ordnung!«, krächzte ich. »Hören Sie?«
Ihre Augen konnten dem partout nicht zustimmen. An der Wand stand ein uniformierter Wachmann, ein rechtschaffener Angestellter vom Fernsehturm, der jetzt mit versteinerter Miene die Pistole aus der Tasche zog.
»Das ist nur zu Ihrem Besten«, sagte ich, während mich ein weiterer Hustenanfall packte. »Haben Sie mich verstanden?«
Ich gestattete der Kraft, sich loszureißen und den Verstand der Anwesenden zu streifen. Die Gesichter entspannten sich nach und nach, nahmen einen gelösten Ausdruck an. Langsam wandten sich die Menschen ab, drückten sich die Nase wieder an den Fenstern platt. Der Wachmann hielt mitten in der Bewegung inne, die Hand an der geöffneten Pistolentasche.
Erst in diesem Moment erlaubte ich mir einen Blick auf den Boden. Und erstarrte.
Der Dunkle war noch da. Schrie. Wie schwarze Fünfkopekenstücke wirkten seine Augen, die Schmerz und Entsetzen aufrissen. Er hing unter der Scheibe, hing an den Fingerspitzen, die im Glas steckten, sein Körper schwankte wie ein Pendel unter den Windstößen hin und her, die Ärmel des weißen Hemdes waren von Blut getränkt. Der Stab befand sich noch immer an seinem Gürtel: Der Magier hatte ihn völlig vergessen. Jetzt war nur ich ihm geblieben, auf der anderen Seite des dreifachen Panzerglases, in dem trockenen, warmen und hellen Gehäuse der Aussichtsplattform, auf der anderen Seite von Gut und Böse. Ich, ein Lichter Magier, der über ihm saß und seinen durch Schmerz und Angst irre gewordenen Blick einfing.
»Hast du gedacht, wir würden immer ehrlich kämpfen?«, fragte ich. Irgendwie hatte ich den Eindruck, er würde mich hören, selbst durch das Glas und das Heulen des Windes hindurch. Ich erhob mich und schlug mit dem Absatz auf die Scheibe ein. Einmal, zweimal, dreimal – auch wenn die Tritte nicht bis zu den im Glas gefangenen Fingern gelangten.
Der Dunkle Magier zuckte krampfhaft zusammen, riss die Hand weg, brachte sie vor dem näher kommenden Absatz in Sicherheit, reflexartig, auf seine Instinkte vertrauend, nicht auf seinen Verstand.
Was das Fleisch nicht aushielt.
Das Glas färbte sich kurz rot ein, doch schon in der nächsten Sekunde fegte der Wind das Blut weg. Übrig blieb nur die Silhouette des Dunklen Magiers, die kleiner und kleiner wurde, sich in der Luft überschlug. Es zog sie hinunter zu den Drei kleinen Schweinchen, einer beliebten Bar am Fuße des Turms.
Eine unsichtbare Uhr, die in meinem Bewusstsein tickte, ließ die Zeiger wandern und verkürzte die verbleibende Zeit mit einem Schlag auf die Hälfte.
Ich trat von der Glasscheibe weg, drehte eine Runde über die Plattform, achtete dabei aber nicht auf die Menschen, die mir von selbst auswichen, sondern spähte ins Zwielicht. Keine weitere Wache. Wo also hockte der Stab? Oben, in den Räumen, zu denen
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