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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Programmierer der Dunklen noch nie gesehen hatte, wusste ich, dass es sich bei ihnen um einfache Operator handelte, nicht um Systemadministratoren. Sie unterschieden sich in nichts von einem unserer Magier, der im Stab an einem ans Internet angeschlossenen Laptop arbeitet. Vielleicht sahen sie sogar anständiger aus als einige von unseren Leuten.
    »Sokolniki ist vollständig abgedeckt«, sagte einer der drei. Nicht sehr laut, doch die Stimme dröhnte durchs ganze Panorama-Restaurant, ließ die Kellner zusammenzucken und stolpern.
    »Die Linie Taganskaja-Krasnopresnenskaja haben wir unter Kontrolle«, erwiderte ein anderer. Die Jungs sahen sich an und lachten. Wahrscheinlich wetteiferten sie, wer seine Abschnitte zuerst abgearbeitet hatte.
    Fangt mich doch, fangt mich!
    Ich ging durchs Restaurant auf die Bar zu. Achtet nicht auf mich! Bin nur ein hilfloser Mann, einer von denen, die kurzfristig zum Wachhund abkommandiert wurden. Ein Wachmann, der ein Bier trinken wollte – ja, war ihm denn jedes Verantwortungsgefühl abhanden gekommen? Oder wollte er sich von der Sicherheit der neuen Herren überzeugen? Im Dienste seiner Majestät die Wache nachts auf Streife geht. Taram, pam, pam, tara-ra-ra …
    Eine ältere Frau an der Biertheke polierte mit mechanischen Bewegungen Gläser. Als ich mich vor sie stellte, schenkte sie mir schweigend ein Bier ein. In ihren Augen war es leer und dunkel, sie hatte sich in eine Marionette verwandelt. Einen kurzen heftigen Wutanfall konnte ich mit Mühe unterdrücken. Das durfte nicht sein. Gefühle waren nicht erlaubt. Ich bin auch ein Automat. Puppen haben keine Emotionen.
    Dann sah ich die junge Frau, die auf einem hohen Drehhocker an der Bar saß, und abermals sank mir das Herz.
    Wie hatte ich das vergessen können?
    Jeder Einsatzstab muss seinen Gegner informieren. In jedem Einsatzstab gibt es einen Beobachter. Das ist ein Teil des Vertrages, eine der Spielregeln, die beiden Seiten nützt – oder zu nützen scheint. Bei jedem Einsatz unseres Stabs ist ebenfalls ein Dunkler dabei.
    Hier saß Tigerjunges.
    Zunächst streifte mich der Blick der Frau ohne besonderes Interesse, und ich hoffte schon, alles würde glatt gehen.
    Dann wanderten ihre Augen zu mir zurück.
    Sie sah schon den Wachmann, dessen Gestalt ich angenommen hatte. Und irgendetwas stimmte nicht mit den in ihren Gedächtnis abgespeicherten Zügen überein. Beunruhigte sie. Ein Moment, und sie schaute mich durchs Zwielicht an.
    Reglos stand ich da, versuchte nicht, mich zu verbergen.
    Die Frau wandte den Blick ab, fixierte den ihr gegenübersitzenden Magier. Kein schwacher Magier, sein Alter schätzte ich auf etwa hundert Jahre, seine Kraft mindestens auf die dritte Stufe. Kein schwacher Magier, aber ein selbstzufriedener.
    »So oder so handelt es sich bei eurem Vorgehen um eine Provokation«, sagte sie in ruhigem Ton. »Die Tagwache weiß doch, dass Anton nicht der Wilde ist.«
    »Sondern?«
    »Ein uns unbekannter, nicht initiierter Lichter Magier. Ein Lichter, der von den Dunklen kontrolliert wird.«
    »Wozu das denn, Mädel?«, wunderte sich der Magier aufrichtig. »Erklär mir das mal bitte. Wozu sollten wir unsere Leute umbringen, selbst wenn es nicht die wertvollsten sind?«
    »›Nicht die wertvollsten‹ ist der Schlüssel zu allem«, meinte Tigerjunges melancholisch.
    »Ja, wenn wir die Möglichkeit hätten, das Oberhaupt der Moskauer Lichten zu vernichten. Doch an den kommen wir wie üblich nicht ran. Aber zwei Dutzend Leute opfern für einen einzigen durchschnittlichen Lichten? Das ist nicht dein Ernst. Oder hältst du uns alle für Idioten?«
    »Nein, ich halte euch für Schlauköpfe. Wahrscheinlich sogar für größere Schlauköpfe als mich.« Tigerjunges setzte ein unschönes Lächeln auf. »Aber ich bin nur eine Fahnderin. Die Schlussfolgerungen ziehen andere. Und dass sie das tun, steht außer Frage.«
    »Wir fordern ja nicht, dass er auf der Stelle bestraft wird!« Der Dunkle lächelte. »Selbst jetzt schließen wir die Möglichkeit eines Fehlers nicht aus. Das Tribunal, eine qualifizierte und unvoreingenommene Untersuchung, Gerechtigkeit – das ist alles, was wir wollen!«
    »Aber es ist schon reichlich merkwürdig, dass euer Oberhaupt Anton mit der Geißel Schaabs nicht erwischen konnte.« Die Frau schnippte mit dem Finger gegen das halb leere Bierseidel. »Wirklich bemerkenswert. Seine liebste Waffe, die er seit Hunderten von Jahren in vollendeter Form beherrscht. Als ob die Tagwache gar kein

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