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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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weißen Händen. Anton, glaube mir, ich weiß, was ich tue. Glaube mir.«
    »Nein.«
    Ich stand auf, ließ das unberührte Bier mit der bereits eingesunkenen Schaumkrone stehen. Alischer sah den Chef fragend an, als sei er bereit, mich aufzuhalten.
    »Du hast das Recht, alles zu tun, was du möchtest«, sagte der Chef. »Das Licht ist in dir, aber hinter dir lauert das Zwielicht. Du weißt, was ein unsicherer Schritt bedeutet. Und du weißt, dass ich bereit bin und die Pflicht habe, dir zu Hilfe zu kommen.«
    »Geser, mein Mentor, vielen Dank für alles, was du mir beigebracht hast.« Ich verneigte mich, zog die neugierigen Blicke der Fallschirmspringer auf mich. »Ich glaube nicht, dass ich das Recht habe, weiter auf deine Hilfe zu rechnen. Nimm meine Dankbarkeit entgegen.«
    »Du bist von allen Verpflichtungen mir gegenüber entbunden«, entgegnete Geser gelassen. »Tu, was dein Schicksal dir gebietet.«
    Aus. Wie leicht er auf seinen einstigen Schüler verzichtet! Wie viele Schüler er wohl schon hatte, die die höchsten Ziele und heiligen Ideale nicht anerkannten?
    Hunderte, Tausende.
    »Lebe wohl, Geser«, sagte ich. Dann blickte ich Alischer an. »Viel Glück, neuer Wächter der Nacht.«
    Der Kurier sah mich tadelnd an. »Wenn mir die Bemerkung erlaubt ist …«
    »Sprich«, forderte ich ihn auf.
    »An deiner Stelle würde ich nichts überstürzen, Lichter Anton.«
    »Ich habe bereits zu lange gezögert, Lichter Alischer.« Ich lächelte. In der Wache hatte ich mich daran gewöhnt, mich als einen der kleinsten Magier zu sehen, aber das war vorbei. Für diesen Neuling stellte ich bereits eine Autorität dar. Noch. »Irgendwann einmal wirst du hören, wie die Zeit rauscht, der Sand durch die Finger rinnt. Dann erinner dich an mich. Viel Glück.«

Sechs
    Diese Hitze.
    Ich ging den Alten Arbat hinunter. Die Maler, die ihre banalen Porträts zeichneten, die Musiker, die ihre stereotype Musik spielten, die Händler, die ihre ewig gleichen Souvenirs verkauften, die Ausländer mit dem Standardinteresse in den Augen, die Moskauer, die mit der üblichen Verärgerung an den Matrjoschka-Imitaten vorbeiliefen …
    Euch sollte man aufrütteln?
    Eine kleine Vorstellung bieten?
    Mit Blitzen jonglieren? Richtiges Feuer schlucken? Das Pflaster zum Bersten bringen und dem Springbrunnen Mineralwasser entlocken? Ein Dutzend arme Krüppel heilen? Durch die Gegend wuselnde Straßenkinder mit dem aus der Luft gezauberten Kuchen füttern?
    Wozu?
    Eine Hand voll Kleingeld würden sie mir für Feuerkugeln zuwerfen, mit denen man einen Teufel schlagen könnte. Der Mineralwasserbrunnen stellte sich als geplatzte Wasserleitung heraus. Die armen Krüppel sind sowieso gesünder und reicher als die meisten anderen, die hier vorbeilaufen. Die Straßenkinder rennen weg, weil sie schon seit langem wissen: Kuchen gibt’s nicht umsonst.
    Ja, ich verstehe Geser, verstehe alle hohen Magier, die seit tausend Jahren gegen das Dunkel kämpfen. Man kann nicht ewig mit dem Gefühl der Machtlosigkeit leben. Man kann nicht ewig im Schützengraben sitzen: Damit tötet man eine Armee eher als mit den Kugeln der Feinde.
    Aber was habe ich mit alldem zu tun?
    Muss das Banner des Sieges unbedingt aus meiner Liebe genäht werden?
    Und was haben die Menschen damit zu tun?
    Die Welt lässt sich leicht umwerfen und wieder auf die Beine stellen, doch wer hilft den Menschen, nicht hinzufallen?
    Sollten wir wirklich nicht in der Lage sein, etwas zu lernen?
    Ich wusste, was Geser vorhatte, genauer, was Swetlana auf seinen Befehl hin tun würde. Verstand, wohin das führen könnte, konnte mir sogar vorstellen, welche Schlupflöcher im Großen Vertrag zur Rechtfertigung dieser Manipulation des Schicksalsbuches herhalten mussten. Verfügte über die Information, wann die Aktion stattfinden sollte. Zum Gesamtbild fehlten mir bloß noch der Ort und das Objekt der Operation.
    Und eben das war fatal.
    Es war Zeit, vor Sebulon zu Kreuze zu kriechen.
    Und danach gleich ab ins Zwielicht.
    Ich hatte die Mitte des Arbats erreicht, als ich eine leichte, kaum wahrnehmbare Bewegung der Kraft spürte. Ganz in meiner Nähe kam es gerade zu einer magischen Manipulation, keiner starken, aber …
    Beim Dunkel!
    Was auch immer ich über Geser gedacht haben, wie sehr ich auch mit ihm gestritten haben mochte – ich blieb ein Soldat der Nachtwache.
    Mit einer Hand griff ich nach dem Amulett in meiner Tasche, rief meinen Schatten und trat ins Zwielicht ein.
    Wie verdammt heruntergekommen

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