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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Zwielicht-Welt noch nicht einmal etwas ahnen, dabei gestorben sind. Es gibt nur wenige Andere, doch jeder Andere kann ein Gefolge von mehr als tausend gewöhnlichen Menschen haben. Jegor – wenn jetzt ein Krieg zwischen dem Guten und dem Bösen ausbrechen würde, dann würde die Hälfte der Menschheit sterben. Deshalb wurde vor fast fünfzig Jahren ein Vertrag unterschrieben. Der Große Vertrag zwischen Gut und Böse, zwischen dem Dunkel und dem Licht.«
    Er riss die Augen auf.
    Ich atmete tief durch und fuhr dann fort: »Der Vertrag ist nur kurz. Ich lese ihn dir jetzt vor, so, wie er offiziell ins Russische übersetzt worden ist. Denn du hast bereits das Recht, ihn zu kennen.«
    Ich kniff die Augen zusammen und spähte in die Dunkelheit. Das Zwielicht erwachte zum Leben, wölkte vor mir auf. Eine graue Stoffbahn entrollte sich, auf der dicht an dicht rote Buchstaben loderten. Den Vertrag darf man nicht aus dem Gedächtnis zitieren, man darf ihn nur vorlesen:
     
Wir sind die Anderen, 
    Wir dienen unterschiedlichen Kräften, 
    Doch im Zwielicht besteht kein Unterschied
    Zwischen dem Fehlen des Dunkels
    Und dem Fehlen des Lichts.
    Unser Kampf vermag die Welt zu vernichten.
    Wir schließen den Großen Vertrag über die Waffenruhe.
    Jede Seite wird gemäß ihren eigenen Gesetzen leben, 
    Jede Seite wird ihre eigenen Rechte haben.
    Wir begrenzen unsere Rechte und unsere Gesetze.
    Wir sind die Anderen.
    Wir gründen die Nachtwache, 
    Damit die Kräfte des Lichts
    Über die Kräfte des Dunkels wachen.
    Wir sind die Anderen.
    Wir gründen die Tagwache, 
    Damit die Kräfte des Dunkels
    Über die Kräfte des Lichts wachen.
    Die Zeit wird für uns entscheiden.
     
    Jegor machte große Augen.
    »Licht und Dunkel leben in Frieden miteinander?«
    »Ja.«
    »Und … die Vampire …« Immer und immer wieder kam er auf dieses Thema zurück. »Sind das Dunkle?«
    »Ja. Es sind Menschen, die durch die Zwielicht-Welt völlig verändert werden. Sie bekommen enorme Möglichkeiten zugebilligt, verlieren aber ihr Leben. Ihre Existenz verdanken sie fremder Energie. Und Blut ist die bequemste Form, diese Energie aufzunehmen.«
    »Aber sie bringen Menschen um!«
    »Sie können auch von Blutspenden leben. Das ist wie mit künstlicher Nahrung, mein Junge. Ohne jeden Geschmack, aber kalorienreich. Wenn sich Vampire gestatten würden, auf Jagd zu gehen …«
    »Aber sie sind über mich hergefallen!«
    Er dachte jetzt nur an sich. Was nicht gut war.
    »Manche Vampire brechen die Gesetze. Deshalb haben wir ja auch die Nachtwache: um zu überwachen, dass der Vertrag eingehalten wird.«
    »Aber einfach so machen die Vampire keine Jagd auf Menschen?«
    Über meine Wange strich ein Luftzug, den unsichtbare Flügel hervorriefen. Krallen bohrten sich mir in die Schulter.
    »Was willst du ihm jetzt antworten, Wächter?«, flüsterte Olga aus den Tiefen des Zwielichts. »Traust du dich, ihm die Wahrheit zu sagen?«
    »Sie machen Jagd«, antwortete ich. Und fügte das hinzu, was mir damals, vor fünf Jahren, den größten Schrecken eingejagt hatte: »Mit Lizenzen. Denn manchmal … manchmal brauchen sie lebendes Blut.«
    Er stellte die Frage nicht sofort. In den Augen des Jungen las ich jedoch alles, was er gerade dachte, alles, was er wissen wollte. Und wusste, dass ich auf alle Fragen würde antworten müssen.
    »Und ihr?«
    »Wir verhindern die Wilderei.«
    »Dann hätte euer Vertrag es denen also erlaubt … mich zu überfallen? Falls sie eine Lizenz gehabt hätten?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Und die hätten mein Blut getrunken? Und Sie wären vorbeigegangen und hätten weggeschaut?«
    Licht und Dunkel …
    Ich schloss die Augen. Der Vertrag loderte im grauen Nebel. Gemeißelte Zeilen, hinter denen Jahrtausende des Krieges und Millionen Leben standen.
    »Ja.«
    »Gehen Sie …«
    Der Bengel hielt sich sprungbereit. Balancierte am Rande der Hysterie, am Abgrund des Wahnsinns entlang.
    »Ich bin gekommen, um dich zu beschützen.«
    »Nicht nötig!«
    »Die Vampirin ist frei. Sie wird versuchen, über dich herzufallen …«
    »Verschwinden Sie!«
    »Hast du’s vermasselt, Wächter?«, seufzte Olga.
    Ich erhob mich. Jegor zuckte zusammen und rutschte mit seinem Hocker von mir weg.
    »Du wirst es schon noch verstehen«, sagte ich. »Wir haben keine andere Wahl …«
    Was ich da sagte, glaubte ich selbst nicht. Außerdem war es sinnlos, jetzt einen Streit anzufangen. Draußen dunkelte es bereits, bald würde die Zeit der Jagd beginnen …
    Der Junge

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