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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Ich hatte ihm nichts Neues gesagt.
    »Wie wird sie mich überfallen?«
    »Ohne Aufforderung kann sie nicht durch die Tür kommen. Das ist eine Besonderheit bei Vampiren, die in den Märchen ganz richtig beschrieben wird. Aber du wirst selbst zu ihr hinausgehen wollen. Du willst ja schon jetzt aus der Wohnung heraus.«
    »Ich gehe nicht hinaus!«
    »Wenn sie den Ruf einsetzt, gehst du. Du wirst verstehen, was geschieht, aber trotzdem gehen.«
    »Können … können Sie mir nicht einen Rat geben? Irgendeinen?«
    Jegor kapitulierte. Er wollte Hilfe, jede mögliche Hilfe.
    »Das kann ich. Verlass dich auf uns.«
    Sein Zögern währte nur eine Sekunde.
    »Kommen Sie herein.« Jegor gab die Tür frei. »Nur … meine Mutter kommt gleich von der Arbeit.«
    »Ja und?«
    »Werden Sie sich dann verstecken? Oder soll ich ihr was Bestimmtes sagen?«
    »Zerbrich dir darüber nicht den Kopf«, tat ich seine Bedenken ab. »Aber ich …«
    Die Tür der Nachbarwohnung wurde geöffnet, vorsichtig, ein kleines Stück nur, bei vorgelegter Kette. Ich blickte in das kleine faltige Gesicht einer alten Frau.
    Rasch streifte ich ihr Bewusstsein, ganz flüchtig nur und möglichst behutsam, um den ohnehin zerrütteten Verstand nicht weiter in Mitleidenschaft zu ziehen.
    »Ach, du bist das …« Die Alte strahlte übers ganze Gesicht. »Du, du …«
    »Anton«, soufflierte ich ihr hilfsbereit.
    »Ich hab schon gedacht, ein Fremder würde sich hier herumtreiben«, meinte die Alte, während sie die Kette abnahm und ins Treppenhaus hinaustrat. »Zeiten haben wir, da muss man mit allem rechnen, die Leute machen, was sie wollen …«
    »Keine Sorge«, beruhigte ich sie. »Alles wird gut. Sie gucken jetzt lieber Fernsehen, da läuft eine neue Serie.«
    Die Alte nickte, warf mir einen letzten freundlichen Blick zu und verschwand wieder in ihrer Wohnung.
    »Was für eine Serie denn?«, fragte Jegor.
    »Weiß nicht.« Ich zuckte mit den Schultern. »Irgendeine. Genug Seifenopern gibt’s doch, oder?«
    »Und woher kennen Sie unsere Nachbarin?«
    »Ich? Sie? Von nirgendwoher.«
    Der Junge schwieg.
    »Eben«, meinte ich. »Wir sind die Anderen. Ich komme jetzt nicht mehr mit rein, ich muss weg.«
    »Und was dann?«
    »Dich werden andere beschützen, Jegor. Du brauchst keine Angst zu haben: Die sind viel bessere Profis als ich.«
    Ich spähte durchs Zwielicht: Zwei grelle orangefarbene Feuer näherten sich dem Eingang des Hauses.
    »Die … die will ich nicht.« Sofort erfasste Panik den Jungen. »Sie sollen bleiben!«
    »Das kann ich nicht. Ich habe eine andere Aufgabe.«
    Unten im Eingang knallte die Tür, Schritte hallten. Den Aufzug ignorierten die beiden Kampfspezis.
    »Die will ich nicht!« Der Junge machte sich an der Tür zu schaffen, als wolle er sie abschließen. »Denen trau ich nicht!«
    »Entweder vertraust du allen von der Nachtwache oder niemandem«, fiel ich ihm hart ins Wort. »Wir sind keine einsamen Supermänner in rotblauen Umhängen. Wir werden für diese Arbeit bezahlt. Wir sind die Polizei der Zwielicht-Welt. Meine Worte sind die Worte der Nachtwache.«
    »Und wer sind die?« Der Junge fügte sich in sein Schicksal. »Magier?«
    »Ja. Allerdings hochspezialisierte.«
    Unten am Fuß der Treppe tauchte Tigerjunges auf.
    »Hallo, Jungs«, rief die junge Frau fröhlich aus, während sie mit einem einzigen Sprung den gesamten Absatz überwand.
    Dieser Sprung konnte nicht von einem Menschen sein. Jegor kauerte sich zusammen und trat zurück, wobei er Tigerjunges misstrauisch beäugte. Ich schüttelte den Kopf: Offenbar balancierte die Frau am Rande der Transformation entlang. Das gefiel ihr – und im Moment hatte sie allen Grund, sich auszutoben.
    »Wie sieht’s in Perowo aus?«, fragte ich.
    Tigerjunges seufzte laut auf, bevor sie lächelte. »Och … lustig. Alle sind in Panik. Geh jetzt, Antoschka, sie warten schon auf dich … Und das hier ist wohl mein kleiner Schützling, oder?«
    Schweigend sah der Junge sie an. Der Chef hatte eine gute Wahl getroffen, indem er Tigerjunges zum Schutz hierher geschickt hatte, das musste man ihm lassen. Vom Kind bis zum Greis flößte sie allen Vertrauen und Sympathie ein. Angeblich fielen sogar die Dunkeln ab und zu auf sie rein. Was sie teuer zu stehen kam …
    »Ich bin kein Schützling«, erwiderte der Junge schließlich. »Ich heiße Jegor.«
    »Und ich bin Tigerjunges.« Die Frau war bereits in die Wohnung gegangen, jetzt legte sie dem Jungen liebevoll den Arm um die Schultern. »Dann bring

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