10 - Das Kloster Der Toten Seelen
du eben gesagt hast. Wer hat ihn umgebracht?«
»Er selbst war es.«
Eadulf ließ den Toten zu Boden gleiten. »Warum sollte er …?«
Plötzlich hörten sie Geräusche. Lichter bewegten sich in der Dunkelheit; brennende Fackeln. Woher sie stammten, war klar. Fidelma packte Eadulfs Hand.
»Lauf! Das sind Clydog und seine Männer, die nach uns suchen.«
Sie rannten durch den Wald. Da schrie hinter ihnen jemand, sie waren entdeckt worden. Eben noch hatte Eadulf die Wolken verflucht, die sich vor den Mond geschoben hatten. Jetzt fluchte er, daß es nicht dunkel genug war, um sich zu verbergen.
Nach wenigen Augenblicken wurde ihnen klar, daß ihre Flucht aussichtslos war. Die Verfolger waren beritten. Voller Verzweiflung suchten sie nach einem schmalen Pfad, der sie tiefer in den Wald und fort von dem Hauptweg bringen könnte. Doch es gab keine Möglichkeit, ihnen zu entkommen. Das Unterholz war so dicht und dunkel, es war einfach undurchdringlich.
Einen Moment später hatte einer der Reiter sie eingeholt. Er wandte sein Pferd um und stellte sich ihnen in den Weg, wobei er bedrohlich sein Schwert durch die Luft sausen ließ.
»Bleibt stehen, oder ihr werdet erschlagen!« fuhr er sie böse an.
Hinter sich hörten sie Clydogs Stimme spotten: »Habe ich dir nicht gesagt, daß ich dich bald wiedersehen würde? Zwischen uns gibt es noch etwas zu klären, Schwester Fidelma von Cashel.«
Sie drehten sich um und starrten im Mondlicht auf Clydog. Fidelma schwieg.
»Wir haben heute nacht schon genug Zeit vergeudet«, sagte Clydog auf einmal in beinahe nüchternem Ton. »Fesselt ihnen die Hände auf dem Rücken und nehmt beide mit. Wir kehren nach Llanwnda zurück.«
Einer der Männer sprang vom Pferd, drehte Fidelma mit einem Ruck die Arme nach hinten und band die Handgelenke mit einem Strick zusammen. Das tat sehr weh. Eadulf hatte die Hände zu Fäusten geballt und machte einen Schritt auf Fidelma zu, doch da spürte er eine kalte Schwertspitze in seinem Nacken und hielt inne. Es war der Krieger, der sie vorhin vom Pferd aus bedroht hatte. Der andere, der Fidelma gefesselt hatte, trat mit zorniger Miene an ihn heran, durchsuchte ihn und nahm ihm das Messer weg. Dann wurden auch Eadulfs Arme brutal nach hinten gezogen. Er versuchte sich zu wehren, doch der Krieger versetzte ihm einen Schlag auf den Kopf, so daß er ins Taumeln geriet. Ehe er es sich versah, waren seine Hände festgezurrt. Und dann saßen sie auch schon hinter den Kriegern auf den Pferden.
Clydog gab das Signal zum Aufbruch. Zu Fidelmas Erstaunen schienen weder Clydog noch seine Gefährten Iorwerths Leiche zu bemerken, denn sie ritten ohne einen Blick an der Eiche vorbei. Ihr fiel ein, daß Eadulf den Toten ins hohe Gras gelegt hatte, wo man ihn im Dunkel nicht sehen konnte.
»Was hast du jetzt vor, Clydog?« rief Fidelma.
Der Anführer der Gesetzlosen drehte sich zu ihr um. »Stellst du immer noch Fragen, Gwyddel?« Er lachte höhnisch.
»Ich fürchte, ich bin einfach so«, erwiderte Fidelma munter. »Seit unserer letzten Begegnung bist du sehr kühn geworden.«
»Was brütet dein schlaues Hirn jetzt aus?« fragte Clydog mißtrauisch.
»Mal sehen. Das letztemal hast du dich im Wald versteckt, wie es deinem Halunkendasein entspricht. Jetzt hast du beschlossen, einen ganzen Ort anzugreifen. Das bedeutet, daß du kühner geworden bist. Ich frage mich nur, warum?«
»Du bist ein gerissenes Weib«, brummte Clydog zornig. »Ich habe das Gefühl, daß du mehr weißt, als du mir verrätst. Wenn wir in Llanwnda sind, werden wir schon aus dir herauskriegen, wovon du Kenntnis hast.«
Fidelma wurde klar, daß sie nichts weiter erreichen würde, wenn sie versuchte, die Unterhaltung mit ihm fortzusetzen. Sie blickte zu Eadulf hinüber, der sich angestrengt bemühte, auf dem Pferd nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Armer Eadulf. Er war kein guter Reiter. Für sie war es schon schwierig, mit auf dem Rücken gefesselten Händen die Balance zu halten. Für Eadulf mußte es geradezu unmöglich sein.
Zumindest machte der Reitertrupp keine Umwege. Clydog führte sie schnurstracks auf Llanwnda zu, und kurz darauf überquerten sie die hölzerne Brücke über den Fluß, der an der vereinsamten Schmiede von Iorwerth vorbeifloß.
Im Schatten erkannte Fidelma ein, zwei herumlungernde bewaffnete Männer. Clydog ignorierte sie, sie standen offensichtlich unter seinem Befehl. Er ritt die Straße voran, in der Ferne leuchteten immer noch die Freudenfeuer. Dann hatten
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